Polarlicht über Oslo
Ein Weihnachtswunder – das Polarlicht zaubert Perlmuttwolken über Oslo

Auslandssemester in Norwegen

Zimtschnecken, Natur und Gruppenarbeit

Veröffentlicht am 21. Januar 2024 von Viktoria Achhammer

Zimt­schne­cken, Polar­lich­ter und Ren­tie­re auf der einen, Lebens­zu­frie­den­heit, Digi­ta­li­sie­rung und Elek­tro­au­tos auf der ande­ren Sei­te. Das sind die Asso­zia­tio­nen, die ich vor mei­nem Aus­lands­se­mes­ter mit Nor­we­gen ver­bun­den hat­te. Mein Bild war dem­entspre­chend eine Mischung aus „hyg­ge­li­ger“ Gemüt­lich­keit und Fort­schritt­lich­keit. Was sich davon bewahr­hei­tet hat und wel­che ande­ren Erleb­nis­se ich aus mei­nem Auf­ent­halt von August bis Dezem­ber 2023 an der BI Nor­we­gi­an Busi­ness School in Oslo mit­neh­me, möchte ich im Fol­gen­den mit euch teilen.

Erste Eindrücke: Zunächst alles wie erwartet!

Fan­gen wir ganz von vor­ne an: Als ich im August via Flix­Bus und Fäh­re in Oslo abge­kom­men bin, hät­te das Wet­ter nicht bes­ser sein kön­nen. Das mit einer Flä­che von ca. 385.207 km² und nur 5,5 Mil­lio­nen Ein­woh­nern dünn besie­del­te Nor­we­gen (Deutsch­land: 357.592 km² mit 84,4 Mil­lio­nen Ein­woh­nern) zeig­te sich von sei­ner bes­ten und son­nigs­ten Sei­te. Die ers­te Zeit, in der auch die Vor­le­sun­gen noch nicht begon­nen hat­ten, war von Sight­see­ing, Wan­de­run­gen und Baden im zen­trums­na­hen Sognsvann-See geprägt. Auch bewahr­hei­te­ten sich eini­ge vor­he­ri­ge Asso­zia­tio­nen: Ich pro­bier­te die ers­ten köst­li­chen Zimt­schne­cken (ich emp­feh­le Bak­er Han­sen), konn­te den gesam­ten Nah­ver­kehr und Büro­kra­ti­sches papier­los erle­di­gen und bezahl­te stets kon­takt­los. Zudem genoss ich dank der tat­säch­lich omni­prä­sen­ten Elek­tro­au­tos die ange­neh­me Ruhe von Nor­we­gens Haupt­stadt, obwohl sie mit knapp 710.000 Ein­woh­nern die ein­woh­ner­stärks­te Stadt des Lan­des ist. Dem ers­ten Ein­druck nach konn­te ich also sehr gut nach­voll­zie­hen, war­um die Nor­we­ger so glück­lich mit ihrem Leben sein sollen.

Ein­zig die Besu­che der ört­li­chen Super­märk­te trüb­ten die Stim­mung. Das ist jedoch nicht über­ra­schend, wenn man bedenkt, dass Oslo oft­mals als teu­ers­te Stadt der Welt beti­telt wird. So zahl­te man bei­spiels­wei­se für eine Gur­ke im Dis­coun­ter min­des­tens zwei Euro. Erst recht ver­ging einem jedoch das Lachen, wenn man die nor­we­gi­schen Bier-Prei­se mit den deut­schen ver­glich. Die­se lagen mit etwa zehn bis zwölf Euro für 0,4 Liter sogar weit über dem Preis­ni­veau des Münch­ner Okto­ber­fests. Somit konn­te ich nur schmun­zeln, wenn ich im Herbst das Grantln aus Mün­chen ver­nahm. Den­noch gab es in Oslo auch immer wie­der span­nen­de Sor­ti­ments­un­ter­schie­de zu Deutsch­land fest­zu­stel­len: Zum einen gab es meist eine vol­le Regal­rei­he mit unter­schied­lichs­ten Knä­cke­brot-Sor­ten wie z.B. mit Zimt-Geschmack. Zum ande­ren ver­füg­te nahe­zu jeder Super­markt über eine Süßig­kei­ten­ab­tei­lung, in der man sich eine „bun­te Tüte“ wie in den ehe­ma­li­gen deut­schen Tan­te Emma-Läden zusam­men­stel­len konn­te, was das Ein­kaufs­er­leb­nis fast zu einer Zeit­rei­se mach­te. Zeit hat­te zudem stets eine ande­re Dimen­si­on als in bay­ri­schen Super­märk­ten, da die­se von Mon­tag bis Sams­tag von 7 bis 23 Uhr geöff­net waren.

Einkaufen in Oslo – im Knäckebrot-Paradies

Norwegischer Uni-Alltag: Zwischen Gruppenarbeit und Online-Klausur

Nach einer ers­ten Ein­ge­wöh­nung star­te­te dann auch der Uni-All­tag an der BI, die eine pri­va­te Uni­ver­si­tät und die größ­te Busi­ness School Euro­pas ist. Dank einer Part­ner­schaft mit mei­ner Hei­mat-Uni­ver­si­tät, der Uni­ver­si­tät Müns­ter, konn­te ich jedoch ent­gelt­frei stu­die­ren. Hier­bei war ich ins­be­son­de­re gespannt, ob das nor­we­gi­sche Bil­dungs­sys­tem dem guten Ruf, den es in Deutsch­land genießt, gerecht wer­den wür­de und ob es einen merk­li­chen Unter­schied zwi­schen pri­va­ter und staat­li­cher Uni­ver­si­tät geben würde.

Die ers­ten Unter­schie­de fie­len direkt bei der Cam­pus-Füh­rung auf: Man darf in der Biblio­thek kos­ten­frei so viel kopie­ren, wie man möch­te, es gibt einen Wri­ting Sup­port, der Stu­die­ren­de bei ihrer Lite­ra­tur­re­cher­che und Quel­len­ar­beit hilft, und psy­chi­sche Gesund­heit scheint ein gro­ßes The­ma zu sein. Bei­spiels­wei­se hin­gen wäh­rend der Prü­fungs­pha­se Schil­der mit „Take a break“ und es lagen Man­da­las für eine ent­spann­te Pau­se aus. Des Wei­te­ren gab es zwei­mal die Woche nor­we­gi­sche Scho­ko­bröt­chen und Kaf­fee im Cam­pus-Café, wo auch Gesell­schafts­spie­le und eine Tisch­ten­nis­plat­te bereit stan­den. Ob die­se Unter­schie­de nun dar­auf zurück­zu­füh­ren sind, dass die BI eine pri­va­te oder eine nor­we­gi­sche Uni­ver­si­tät ist, kann ich man­gels Ver­gleich mit einer staat­li­chen nor­we­gi­schen Uni­ver­si­tät jedoch nicht final sagen.

Doch wie unter­schei­den sich Vor­le­sun­gen? Im Gegen­satz zu Deutsch­land waren wir in den meis­ten Kur­sen ledig­lich etwa 30 Per­so­nen. Die Unter­richts­spra­che war Eng­lisch, was bei einem Anteil von 30 Pro­zent an inter­na­tio­na­len Stu­die­ren­den nicht über­ra­schend ist. Ich spre­che hier auch gezielt von ‚Unterrichts‘-Sprache. Dies liegt am zwei­ten Unter­schied zum deut­schen Sys­tem. Zwar stel­le ich auch an deut­schen Uni­ver­si­tä­ten fest, dass ver­mehrt der direk­te Aus­tausch mit den Stu­die­ren­den geför­dert und gefor­dert wird – jedoch scheint es mir hier­zu­lan­de noch kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit zu sein. In Nor­we­gen hin­ge­gen gli­chen Vor­le­sun­gen eher einer Dis­kus­si­on mit den Dozie­ren­den und waren somit wesent­lich inter­ak­ti­ver, wenn man sich dar­auf ein­ließ. Doch auch eine Vor­le­sungs­zeit ist irgend­wann vor­bei, gefolgt von der Prü­fungs­pha­se: Hier wur­de Digi­ta­li­sie­rung groß­ge­schrie­ben. Fast alle mei­ne Prü­fun­gen schrieb ich vor Ort unter Auf­sicht an mei­nem eige­nen Lap­top. Das hat­te zwar den Vor­teil, dass das Geschrie­be­ne auf jeden Fall les­bar war und man auch schnel­ler war – doch das Kon­zept birgt auch sei­ne Fall­stri­cke. So war mein Lap­top mit dem Prü­fungs­pro­gramm über­for­dert, sodass er mit­ten unter einer Prü­fung abstürz­te – doch die BI war durch den wäh­rend der Prü­fung anwe­sen­den IT-Sup­port auch auf der­lei Situa­tio­nen vor­be­rei­tet und konn­te unterstützen.

Und wovon war das uni­ver­si­tä­re Semes­ter sonst geprägt? Zahl­rei­che Grup­pen­ar­bei­ten füll­ten zeit­li­che Lücken. Doch hier­durch lern­te man auto­ma­tisch schnell neue Leu­te aus ver­schie­dens­ten Län­dern ken­nen und hat­te oft auch eine schö­ne Zeit zusammen.

Wie sind die Norweger wirklich?

Unter mei­nen Grup­pen­mit­glie­dern waren auch ein paar Nor­we­ge­rin­nen und Nor­we­ger. Wie sind sie also, die Norweger?

Pau­schal kann ich das natür­lich nicht beant­wor­ten. Den­noch wür­de ich die Nor­we­ge­rin­nen und Nor­we­ger im nüch­ter­nen Zustand als eher zurück­hal­tend und sehr auf ihren eige­nen, pri­va­ten Raum bedacht beschrei­ben. Fährt man bei­spiels­wei­se mit der U‑Bahn, so set­zen sich alle Fahr­gäs­te so weit wie nur mög­lich aus­ein­an­der – was dort als sehr höf­lich und nicht als kalt, wie von eini­gen Aus­tausch­stu­die­ren­den emp­fun­den, wahr­ge­nom­men wird. Abge­se­hen davon scheint die nor­we­gi­sche Bevöl­ke­rung ein sehr sport­li­ches Völk­chen zu sein – egal ob Som­mer, Herbst oder Win­ter: Man wird an der fri­schen Luft stets ren­nen­den – ich schrei­be bewusst nicht jog­gen­den –, wan­dern­den oder lang­lau­fen­den Men­schen begeg­nen. Wenn der dunk­le Win­ter näher rückt, wird eine wei­te­re Sache klar: Nor­we­gen liebt Weih­nach­ten! Dies zeigt sich bei­spiels­wei­se dar­in, dass vor bei­na­he alle Pro­dukt­na­men ein „jul“ für Weih­nach­ten gesetzt wird. So gibt es auf ein­mal Weih­nachts-Gum­mi­bär­chen, Weih­nachts-Scho­ko­la­de oder das all­seits belieb­te, tra­di­tio­nel­le Weihnachts-Soda.

Winter is coming: Vitamin D‑Tabletten und frische Luft zum Glücklichsein?

Doch wo kommt sie her, die Lie­be für die Weih­nachts­zeit? Mei­ne Ver­mu­tung ist, dass die Weih­nachts­zeit für die nor­we­gi­schen Men­schen ein not­wen­di­ger Licht­blick im dun­keln Win­ter ist. Zumin­dest hat­te ich zeit­wei­se mit dem spä­ten Sonnenauf‑, und frü­hen Son­nen­un­ter­gang im Dezem­ber zu kämp­fen, obwohl Oslo noch recht süd­lich im Land liegt. Daher mein Top-Tipp: Packt auf jeden Fall genü­gend Vit­amin D‑Tabletten ein und ver­sucht jeden Tag zumin­dest eine hal­be Stun­de an der fri­schen Luft zu sein. Die­ser Erfah­rung nach ver­ste­he ich die ren­nen­den Men­schen in Oslo nun auch bes­ser: Mir scheint, dass neben „hyg­ge­li­ger“ Gemüt­lich­keit und Fort­schritt­lich­keit auch eine gute Por­ti­on Vit­amin D und Akti­vi­tät als Rezept zum Glück­lich­sein der nor­we­gi­schen Bevöl­ke­rung beiträgt.

Ultimative Tipps für Oslo

Daher möch­te ich euch abschlie­ßend noch ein paar zusätz­li­che Tipps für Oslo an die Hand geben, damit ihr euch auch in der Dun­kel­heit wohl fühlt: Falls ihr eher an Indoor-Akti­vi­tä­ten inter­es­siert seid, dann gefal­len euch sicher Oslos zahl­rei­che Muse­en. Hier ist gut zu wis­sen, dass man immer mitt­wochs ab 18 Uhr kos­ten­frei das Edvard-Munch-Muse­um besu­chen kann. Von die­sem ist auch das ein­drucks­voll gebau­te Opern­haus nicht weit. Im Nach­gang kann man direkt eine der gegen­über­lie­gen­den Sau­nas besu­chen und ein erfri­schen­des Eis­bad im Oslo-Fjord neh­men. Apro­pos Oslo-Fjord: Mit dem regu­lä­ren Nah­ver­kehrs­ti­cket könnt ihr die dor­ti­gen Inseln besu­chen, die zu einem Spa­zier­gang oder im Som­mer auch zu Bade­spaß ein­la­den. Die Fäh­ren legen an der Aker-Bryg­ge ab, die eine schö­ne Pro­me­na­de mit Blick auf Oslos Fes­tung bie­tet. Und falls der klei­ne Hun­ger ruft, fin­det man hier sicher auch eine pas­sen­de Loka­li­tät. In Anbe­tracht eines knap­pen Stu­den­ten-Bud­gets emp­feh­le ich alter­na­tiv „Oslo Street­food“. Dort gibt es Essen aus ver­schie­dens­ten Tei­len der Welt und man kann in einer offe­nen Atmo­sphä­re gemüt­lich zusam­men­sit­zen – und an man­chen Tagen ver­wan­delt sich der Food-Court zu spä­te­rer Stun­de sogar in einen Club.

Sonnenbaden Deluxe – Spaziergang im Vigelandspark

Doch um auch die fri­sche Luft nicht zu ver­ges­sen, noch ein paar Out­door-Tipps: Im Ein­zugs­ge­biet des Nah­ver­kehrs­ti­ckets wären hier auf jeden Fall der Hol­men­kol­len, ein ehe­ma­li­ger Aus­tra­gungs­ort des olym­pi­schen Ski­sprin­gens, oder der wun­der­schö­ne Vige­lands­park zu nen­nen. Und wer weiß: Viel­leicht erhascht ihr dabei auch das ein oder ande­re Polar­licht. Für mich geschah zumin­dest zum Abschluss ein klei­nes Weih­nachts­wun­der: Zwei Stun­den vor mei­ner Heim­rei­se – die Zimt­schne­cken waren bereits ein­ge­packt – zeig­ten sich wun­der­schö­ne Perl­mutt-Wol­ken an Oslos dunk­lem Nach­mit­tags­him­mel, die sich wie klei­ne Regen­bö­gen über den Him­mel erstreckten.

Damit kann ich zum Ende nur sagen: Ha det bra og på gjen­syn – Tschüss und bis bald, um wei­te­re Tei­le Nor­we­gens zu erkun­den. Viel­leicht zeigt sich dann sogar ein Ren­tier, um mei­ne noch ver­blei­ben­de Asso­zia­ti­on zu beantworten.