Influencer-Preis
„Vorbilder für die ganze Branche“
Dr. Jonas Schützeneder ist Juryvorsitzender des Preises, Altstipendiat und Dozent bei der Hanns-Seidel-Stiftung. Aktuell hat er die Vertretungsprofessur Journalismus und digitale Innovation an der Hochschule Magdeburg-Stendal inne. Mit uns hat er über die Arbeit der Jury, die wissenschaftlichen Zusammenhänge und was jeder selbst beim Influencen beachten sollte gesprochen.
Politik und Influencer… Wie passt das zusammen?
(lacht) Das haben wir uns damals auch gefragt, zum Start des Projekts. Damals, vor eineinhalb Jahren, ging es los mit der Überlegung der Stiftung, ob wir einen Preis ausgeben könnten für politische Influencer. Dann haben wir darüber nachgedacht: ‚Wie verstehen wir denn politische Influencer?‘ und sind dann sehr schnell draufgekommen: ganz anders als dieser sehr negativ behaftete Influencer-Begriff. Wir verstehen darunter junge Leute, die sich auf digitalen Plattformen für Politik interessieren und eigenen Content kreieren, der in erster Linie Information und vielleicht auch ein bisschen Unterhaltung mit sich bringt. Und deswegen passt das mit dem politischen Influencing durchaus zueinander. Gleichzeitig ist in der Politik die Frage nach der Einflussnahme, nach Machtverhältnissen ohnehin omnipräsent und schon immer dagewesen. Egal ob auf Social-Media oder woanders.
Was unterscheidet sich denn das Influencing von klassischen Medien? Nur Plattform und Zielgruppe?
Auf jeden Fall der Ausspielkanal. Und natürlich die Zielgruppe per se, die auf diesen Plattformen deutlich jünger ist als bei der Reichweite über andre Medienkanäle. Und der dritte Punkt ist ganz wichtig: Politisches Influencing oder generell die Ansprache der Zielgruppe auf diesen Plattformen funktioniert anders als im Journalismus. Das ist eine andere Kommunikationskultur. Auch ein anderer Versuch, die Community aktiv zu pflegen, mit einzubauen. Und natürlich in dem Kontext auch – was sich vom Journalismus unterscheidet: die ganz starke Personalisierung auf eine Person. Die Influencer stehen viel stärker im Fokus und sie bauen letztlich über ihre Persönlichkeit die Verbindungen zum Publikum auf. Mit Blick auf die grundsätzliche Aufgabe, also dass von guten politischen Influencern sauber recherchiert wird, dass Sie Kritik und Hintergründe liefern, individuelle Meinungsbildung ermöglichen, da sehe ich weniger Unterschiede.
Wir wollen politische Influencer auszeichnen, die wirklich nah an der journalistischen Tätigkeit sind.
Dr. Jonas Schützeneder, Juryvorsitzender
Der Preis wurde in diesem Jahr zum zweiten Mal vergeben. War in diesem Jahr etwas neu oder speziell?
Wir haben aus der Première im Vorjahr viel mitgenommen. Unsere Hoffnung war, dass wir noch mehr unterschiedliche Themen und auch jüngere Kanäle in den Einreichungen sehen. Das haben wir auch explizit in Pressemitteilungen oder Interviews auf der Hanns-Seidel-Seite fokussiert. Also nicht nur arrivierte und sehr bekannte Formate, sondern auch wirklich Neueinsteiger oder auch einzelne Projekte. Das zeigt ja auch die diesjährige Auszeichnung für das Multimedia-Projekt der Journalismusschule. Vom Grundsatz her ist aber das Wichtigste gleichgeblieben: Wir wollen politische Influencer auszeichnen, die wirklich nah an der journalistischen Tätigkeit sind. Also wirklich durch gute Rechercheleistung, durch das schöne Zusammenspiel von Information und ein bisschen Entertainment einen neuen Impuls für politische Information liefern. Also das steht immer im Herzen unseres Preises und da wollen wir dann auch im nächsten Jahr dran arbeiten.
Wie war denn die Arbeit als Jurypräsident und mit der Jury?
Das ist eine wichtige und spannende Aufgabe. Ich bin ja zum Glück nicht allein in der Jury. In diesem Jahr wurde ich ergänzt von der geschätzten Kollegin Beatrice Dernbach (TH Nürnberg) und von der letztjährigen Preisträgerin Antonia Neidhardt, die in der Kategorie Podcast gewonnen hatte. Wir waren gleichberechtigt, auf Augenhöhe. Wir haben zunächst alles einmal für uns alleine sortiert. Dafür haben wir ein Punktesystem genutzt, weniger um eine Note zu bilden, sondern für uns selber einfach eine kleine Rangliste zu gestalten. Mit den Ranglisten sind wir dann in die sehr offene und sehr spannende Diskussion gegangen. Es hat sich gezeigt, dass wir mit den Ranglisten sehr nah beieinander liegen. Aus der Diskussion heraus wurde dann sehr schnell deutlich: Diese drei Formate würden wir gerne auszeichnen, das finden wir alle gut.
Was hat die drei Preisträger – ganz allgemein gesprochen – ausgezeichnet?
Uns geht es nicht um die Reichweite, ob es zwei Millionen oder Zehntausend sind. Das ist uns ziemlich egal. Bei allen dreien war ein spezifischer Ansatz, entweder über die Plattform oder eine bestimmte Form der Information im Vordergrund. Die Themen dieses Jahr waren auch sehr stark geprägt vom Ukraine-Krieg, natürlich aber auch von Gesundheit (Corona). Und das hat uns bei diesen drei ausgezeichneten Formaten einfach gut gefallen, dass sie –mit dem Blick auf die Medienlandschaft – nicht nachgeschwommen sind, sondern dass sie eigene, kleine Nischen besetzt haben und das wirklich schön ausgearbeitet haben.
Juryvorsitzender Dr. Jonas Schützeneder bei der Preisverleihung mit Moderatorin und Altstipendiatin Christina Matallinos. Foto: HSS.
Der Preis hat die Influencer ausgezeichnet – aber was zeichnet denn den Preis aus? Was hat der Preis, was ein anderer nicht hat?
Zum einen das Thema Influencing, ich finde, wir setzen das mit hoher Sensibilität um und sehen auch anhand der Vielfalt der Einreichungen, dass dieser Preis offen für alle Formate, Themen und Persönlichkeiten ist. Gleichzeitig soll der Preis auch Orientierung schaffen: Personen, die überlegen, selbst politische Inhalte auf den Plattformen anzubieten können sich von den Preisträgern sicherlich einiges abschauen.
Wir wollen keine absolutistische Verkündung, sondern einen Prozess, der aus vielen Informationen und Meinungen ein solides Gesamtbild zusammenträgt, auf dessen Basis man sich dann selber eine Meinung bildet. Das ist ein Grundgedanke von Demokratie, egal ob offline oder online
Dr. Jonas Schützeneder, Juryvorsitzender
Woran erkenne ich denn seriöse politische Influencer?
Eine gute und wichtige Frage. Das ist übrigens auch ein Punkt, der bei „heute wichtig“ in dem Podcast so schön rauskam. Das ist eine medienpädagogische Frage. Arbeitet dieser Kanal mit seriösen Quellen? Ist der jeweilige Influencer oder die Influencerin immer die einzige Quelle und sagt permanent die identische Meinungsrichtung? Oder ist es wirklich ein journalistischer Prozess? Also das Zusammentragen von verschiedenen Quellen, das Einordnen und das Diskutieren? Wird das auch belegt? Ist der Influencer oder die Influencerin nah dran an der politischen Wirklichkeit? Versuchen sie wirklich, Meinung aus der Politik aktiv einzuholen? Und nicht zuletzt: Sind diese Influencer auch bereit, mit der Community zu interagieren? Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Denn wir wollen ja keine absolutistische Verkündung, sondern einen Prozess, der aus vielen Informationen und Meinungen ein solides Gesamtbild zusammenträgt, auf dessen Basis man sich dann selber eine Meinung bildet. Das ist ein Grundgedanke von Demokratie, egal ob offline oder online.
Wenn ich selbst politischer Influencer werden möchte, worauf muss ich da achten?
Zunächst ist es eine Entscheidung auch mit dem Blick auf die eigene Persönlichkeit: Möchte man das machen, möchte man sich selber auch positionieren als Person oder Marke im Internet, quasi dauerhaft und immer sichtbar sein? Der zweite Punkt ist: Gibt es eine Nische? Also ein Politikfeld oder einen bestimmten Kanal, wo ich mich wohlfühle und Expertise einbringen kann? Und der dritte Punkt ist: Habe ich Zeit und vielleicht auch ein bisschen finanzielle Ressourcen, um das Ganze auch zu bewerkstelligen? Unsere Preisträgerinnen und Preisträger haben es uns sehr deutlich gesagt: Dieses Geschäft ist wirklich ein harter Job mit Blick auf das Zeitmanagement. Man braucht für qualitativ hochwertige Projekte jeden Tag mehrere Stunden. Und manche machen es, siehe zum Beispiel Amelie Weber, hauptberuflich.
Vielen Dank für das Interview!
Sehr gerne.