Foto: Helmut Ölschlegel

Der Weg junger Liedermacher mit der Unterstützung der Hanns-Seidel-Stiftung

Von Leidenschaft zu Anerkennung

Veröffentlicht am 10. Dezember 2023 von Sophia Rothlauf

Auf der glei­chen Büh­ne ste­hen mit Stars wie Chris de Burgh, Wil­ly Astor und Bodo Wart­ke? Für ein paar jun­ge Musi­ker wird die­ser Traum wahr – seit 1987 ver­leiht die HSS jedes Jahr den För­der­preis für jun­ge Lie­der­ma­cher. Neben einem Preis­geld von 5.000 Euro gewin­nen die Aus­ge­zeich­ne­ten einen Auf­tritt auf dem Fes­ti­val Lie­der auf Banz auf der Klos­ter­wie­se in Bad Staf­fel­stein und haben die Mög­lich­keit, ihr Kön­nen einem gro­ßem Publi­kum vor Ort sowie vor dem hei­mi­schen Fern­se­her zu präsentieren.

„Wir suchen Inter­pre­ten, die Lie­der machen, die auch anspruchs­vol­le Tex­te haben.“
- Jut­ta Möh­rin­ger, Lei­te­rin des Insti­tuts für Begab­ten­för­de­rung und Juro­rin des Liedermacher-Preises

Aber was bedeu­tet der För­der­preis für jun­ge Lie­der­ma­cher wirk­lich für jun­ge Lie­der­ma­cher?
Drei Gewin­ner erzählen.

Ronja Maltzahn

Ron­ja Malt­zahn bei Lie­der auf Banz 2023 – Foto: Chris­ti­an For­mann Konzertfotografie

Ron­ja Malt­zahn möch­te mit ihrer Musik nicht nur Men­schen zusam­men­brin­gen, son­dern mit ihr auch die Welt berei­sen. Mit Cel­lo, Gitar­re, Uku­le­le, Pia­no und ihrer eige­nen kräf­ti­gen und gefühls­be­ton­ten Stim­me steht sie zusam­men mit ihrem lang­jäh­ri­gen Musik­part­ner Feder­i­co Mari­na auf Büh­nen in der gan­zen Welt. Eine Mischung aus Pop, Welt­mu­sik und elek­tro­ni­schen Klän­gen cha­rak­te­ri­siert ihr neu­es­tes Album Heim­weh, das sie 2022 herausbrachte.

Die Anfän­ge ihrer musi­ka­li­schen Kar­rie­re fand sie nicht in ihrem Musik­päd­ago­gik-Stu­di­um, son­dern erst, als sie das Fern­weh im Anschluss dar­an nach Ita­li­en zog. Dort traf sie auf den Argen­ti­ni­er Feder­i­co, der sie zur Mani­fes­ta­ti­on ihrer Iden­ti­tät als Künst­le­rin inspi­rier­te. Nach zahl­rei­chen Songs und ihrem ers­ten Album bereis­ten sie in den ver­gan­ge­nen sechs Jah­ren zusam­men über 20 Län­der und spiel­ten mehr als 400 Kon­zer­te. Dabei war für Ron­ja die Musik bis dato immer mehr Beru­fung statt Beruf gewesen.

Musik war eigent­lich immer so die Lei­den­schaft, wo ich all das abla­den und auch ver­ar­bei­ten konn­te, was ich erle­be. Das war kom­plett pas­si­on-gesteu­ert und gar nicht so sehr als eine Kar­rie­re für mich greif­bar oder sicht­bar gewe­sen.
- Ron­ja Maltzahn

Bis heu­te sieht sie Ruhm nicht als das erstre­bens­wer­tes­te Ziel ihres Künst­ler-Daseins. Viel­mehr hofft sie dar­auf, mit ihrem Team wei­ter zu wach­sen und neue, grö­ße­re Ideen umset­zen zu kön­nen. Doch dafür braucht es nicht nur eine finan­zi­el­le Kraft, son­dern auch Reich­wei­te, wie sie sagt. Der För­der­preis der Hanns-Sei­del-Stif­tung öff­ne­te ihr hier­für neue Türen. Das Fes­ti­val Lie­der auf Banz ver­schaff­te ihr den größ­ten Auf­tritt ihrer Kar­rie­re und gleich­zei­tig einen Spie­gel, der ihr zeig­te, dass sie sich auf dem rich­ti­gen Weg befindet.

Da waren Musi­ker dabei, die haben den Sieb­zi­ger­jah­ren Musik­ge­schich­te geschrie­ben, und die stan­den hier neben uns auf der Büh­ne – Karat und Kun­ze und wie sie alle hei­ßen.“
- Ron­ja Maltzahn

Nicht nur die 5.000 Men­schen im Publi­kum, die Stim­mung auf dem Open-Air Gelän­de und die vie­len Lich­ter, die ihren Auf­tritt unter­stri­chen, mach­ten Lie­der auf Banz für Ron­ja eine „epi­sche“ Erfah­rung. Eben­so das, was sich abseits der Büh­ne abspiel­te: Mit ihrem Idol aus Stu­di­ums­ta­gen Bodo Wart­ke bis 5 Uhr mor­gens Lie­der rauf und run­ter sin­gen – das erlebt man nicht alle Tage.

Auch der Aus­tausch über ihre Musik, die Welt und die Gesell­schaft mit den Sti­pen­dia­tin­nen und Sti­pen­dia­ten der HSS im Nach­gang hat Spu­ren bei Ron­ja hinterlassen. 

Noch vor eini­gen Jah­ren habe ich auch gedacht, dass ich als Künst­le­rin eigent­lich wenig mit Poli­tik zu tun habe. Ich dach­te, dass ich mich selbst gar nicht so als poli­tisch aktiv wahr­neh­men wür­de. Und gleich­zei­tig sehe ich jetzt, dass die Kunst einen Raum in der Gesell­schaft ein­nimmt, der eine ganz tol­le Schnitt­stel­le zwi­schen vie­len ver­schie­de­nen Berei­chen ist.
- Ron­ja Maltzahn

Eine wei­te­re über­ra­schen­de Erkennt­nis war für Ron­ja, dass aus­ge­rech­net ihr deutsch­spra­chi­ges Album so gro­ße Wel­len schlug. „Ich habe mich ganz lan­ge von der deut­schen Spra­che fern­ge­hal­ten und hat­te Rie­sen-Respekt davor“, gibt sie zu. Getrie­ben vom Fern­weh schrieb sie ihre Lie­der lan­ge Zeit auf Eng­lisch, Fran­zö­sisch, Ita­lie­nisch und Spa­nisch. Auch ver­ein­zel­te Über­set­zun­gen ins Rus­si­sche, Ukrai­ni­sche und Schwe­di­sche setz­te sie um. 

Doch auch hier hält ihr der För­der­preis den Spie­gel vor und zeigt, dass die Flü­gel ihres Lebens – was ihre Rei­sen aus­drü­cken – nicht allei­ni­ger Erfolgs­trei­ber für ihren musi­ka­li­schen Lebens­weg sind. Schließ­lich wur­de ihr der Preis auch für ihre Songs in der „ecki­gen“ und „kan­ti­gen“ deut­schen Spra­che ver­lie­hen. Damit wur­de sie den Kri­te­ri­en der Jury – Hohes künst­le­ri­sches Niveau, Viel­falt des musi­ka­li­schen Ein­drucks, Eigen­stän­dig­keit und Freu­de an der Musik – für eine Aus­zeich­nung gerecht. 

Die­se deutsch­spra­chi­gen Songs haben eine unglaub­li­che Kraft, weil sie die Tie­fe mei­nes Lebens beschrei­ben kön­nen, so wie ich das in kei­ner ande­ren Spra­che aus­drü­cken kann.
- Ron­ja Maltzahn

Und so schafft es Ron­ja nach jah­re­lan­gen Rei­sen durch die Welt wie­der, ein paar Wur­zeln zu fas­sen, die sie viel­leicht auch in Zukunft immer öfter für ihre Kon­zer­te nach Deutsch­land brin­gen. Viel­leicht auch zurück nach Bayern.

Fidi Steinbeck

Fidi Stein­beck bei Lie­der auf Banz 2023 – Foto: Chris­ti­an For­mann Konzertfotografie

Obwohl Musik in Fidis Leben schon immer eine Kon­stan­te war, ver­schrieb sich Fidi Stein­beck – bür­ger­lich Frie­de­ri­ke Sophie Stein­beck – erst sehr spät dem Beruf der Musi­ke­rin. Angst davor, dass dadurch die Lei­den­schaft zur Musik ver­lo­ren geht, hat die 39-Jäh­ri­ge heu­te nicht mehr. Das spie­gelt auch ihr bun­tes Album Flie­der wider, das von Coun­try-Stil über Rock bis hin zu klas­si­schen Ele­men­ten mit Cel­lo alles hat. Es ver­sinn­bild­licht Fidis Selbst­wahr­neh­mung, ohne dabei immer der brei­ten Mas­se gefal­len zu müssen.

Wenn ich Augen und Ohren zuma­che, wie wür­de ich denn klin­gen?
- Fidi Steinbeck

Den­noch sieht sie, dass vor allem Krea­tiv­schaf­fen­de deut­lich von Selbst­zwei­feln geplagt wer­den. Auch sie selbst bleibt davon nicht ver­schont. Vor allem durch die Coro­na-Zeit, als der Aus­tausch zum Publi­kum fehl­te und sie kei­nen Abstand zu ihrer Arbeit hat­te, sei es für sie schwer zu beur­tei­len gewe­sen, ob ihre Musik der rich­ti­ge Weg ist. 

Nur das zu machen, was man selbst mag und was einen glück­lich macht, rei­che lei­der oft nicht, um sich in der har­ten Musik­bran­che zu eta­blie­ren. Das müs­se auch gese­hen wer­den, am bes­ten von Men­schen, die die Mög­lich­keit haben, Musik-Talen­te zu för­dern. So wie die Hanns-Sei­del-Stif­tung das Talent in ihr sah und sie mit dem Lie­der­ma­cher-Preis im Jahr 2023 auszeichnete.

„Ich glau­be, wenn es sol­che Men­schen bzw. Stif­tun­gen nicht geben wür­de, dann wäre die Kul­tur­bran­che wahr­schein­lich noch ein biss­chen ein­tö­ni­ger, weil es das natür­lich viel­fäl­ti­ger macht, wenn vie­le klei­ne­re Künstler:innen und unter­schied­li­che Men­schen die Chan­ce bekom­men, sich zu zei­gen. Und das fin­de ich toll und wich­tig und lobens­wert.
- Fidi Steinbeck

Erfah­ren von der Aus­zeich­nung hat­te sie am glei­chen Tag ihres Album-Releases, am 28. Okto­ber 2022. Ein Tag, der für Fidi ereig­nis­rei­cher nicht hät­te sein kön­nen. Zwi­schen gro­ßer Freu­de über das ers­te Album und etwas Lee­re in ihr und ihrem Porte­mon­naie, eröff­ne­te ihr Isa­bell Küfer am Tele­fon, dass sie mit dem Preis­geld ihre nächs­ten Kar­rie­re­schrit­te nun pla­nen könne.

„Ich saß im Auto, hat­te ein paar Anru­fe ver­passt und nur gese­hen, dass es eine Münch­ner Num­mer ist. Und ich dach­te erst, dass es unser Gas­an­bie­ter ist, die sit­zen näm­lich in Mün­chen.
- Fidi Steinbeck

Das Preis­geld wur­de direkt umge­setzt. Die Hälf­te wur­de in einen Show­ca­se inves­tiert, die ande­re Hälf­te in alles, was nötig war, um mit gan­zer Band inklu­si­ve Tech­ni­ker im Som­mer 2023 auf Klos­ter Banz dabei sein zu kön­nen. Denn vor allem das Kon­zert Lie­der auf Banz und die damit ver­bun­de­ne TV-Aus­strah­lung bie­tet eine Sicht­bar­keit, die für Fidi ohne Musik­la­bel im Rücken schwer allei­ne zu errei­chen ist. Die­se Sicht­bar­keit ist wich­tig, um wei­ter­hin von der Musik leben zu kön­nen. Jedoch ist Reich­tum nicht aus­schlag­ge­bend für den Erfolg, den Fidi mit ihrer Musik ver­bin­det. „Ich mache Musik für mich sel­ber, aber natür­lich auch für alle Men­schen, die dar­auf Lust haben. Wenn ich dann wie­der schö­ne Nach­rich­ten krie­ge, dass ich jeman­dem durch eine schwie­ri­ge Zeit gehol­fen habe mit mei­nen Songs, dann ist das für mich Erfolg.“ 

Sich als rele­vant zu betrach­ten, mutig zu sein und zu sich selbst zu ste­hen, ist für Fidi wohl der Schlüs­sel zu die­sem Erfolg, den sie auch ande­ren jun­gen Musi­kern ger­ne mit auf den Weg gibt. So kön­nen auch sie in Zukunft viel­leicht sagen: „Ja, ich habe die­sen Preis ver­dient. Ich habe sehr viel dafür getan“, so wie es Fidi nun tut.

UNDUZO

Coro­na. Eine Zeit, in der die Nach­rich­ten von Wor­ten wie „Lock­down“, „Mund-und-Nasen­schutz“ und „Qua­ran­tä­ne“ domi­niert wur­den und plötz­lich jeder wuss­te, was der R‑Wert ist. Eine ver­rück­te Zeit, in der man zeit­wei­se nicht ein­mal auf einer Park­bank ver­wei­len durf­te, geschwei­ge denn ein Kon­zert vor 5.000 Zuschau­ern spie­len. Auch das Lie­der­ma­cher-Fes­ti­val blieb im Jahr 2020 und 2021, wäh­rend der Coro­na-Pan­de­mie, nicht vor den gesetz­li­chen Maß­nah­men zur Ein­däm­mung des Virus ver­schont. Es wur­de abge­sagt. Die Gewin­ner aus dem Jahr haben zwar das Preis­geld erhal­ten, der ver­spro­che­ne Auf­tritt bei Lie­der auf Banz wur­de aber nie nachgeholt. 

A‑Cappella Band Undu­zo - Foto: Felix Groteloh

So erging es der A‑Cappella Band Undu­zo, die den Preis 2020 gewann. Seit­dem war­tet sie dar­auf, ins Line-Up des Fes­ti­vals auf­ge­nom­men zu wer­den. Bis­lang ver­geb­lich. Sind sie also die Ver­lie­rer unter den Gewin­nern?
„Das ist noch so ein klei­ner Wer­muts­trop­fen“, sagt Richard Lei­se­gang, Bass-Stim­me, Tex­ter und Mana­ger der Vocal-Pop-Band aus Frei­burg. Bestimmt wäre die Reich­wei­te der Gewin­ner bei einem Auf­tritt auf dem Fes­ti­val auf Klos­ter Banz um eini­ges grö­ßer gewe­sen als bei einem inter­nen Coro­na-Kon­zert mit Live-Stream. Denn die Außen­wahr­neh­mung ist das, was den Preis für die Künst­ler so bedeu­tend macht. 

Man hat etwas gewon­nen, aber es wur­de nicht so rich­tig ein­ge­löst.
- Richard Leisegang

Trotz­dem hat es die Band geschafft, sich in der Musik­bran­che zu eta­blie­ren. 40 bis 50 Kon­zer­te spie­len die fünf Musi­ker im Jahr, seit kur­zem in neu­er Beset­zung mit Sopra­nis­tin Marei­ke Ger­des, die fri­schen Wind und Lei­den­schaft für die alten Lie­der mit­bringt. Die­se Lei­den­schaft wird vor allem  auch ans Publi­kum trans­por­tiert. Schließ­lich ist das Publi­kum das Herz­stück von Undu­zos „Pop-Enter­tain­ment“, was die Musi­ker anspornt, vor­aus­schau­end Musik zu machen. Es bedarf eines Spa­gats, das zu pro­du­zie­ren, was den Men­schen gefällt und dabei den eige­nen Vor­stel­lun­gen von Musik gerecht zu werden. 

Wir blei­ben uns treu, indem wir bei der Kon­zep­ti­on unse­rer Pro­gram­me auch ans Publi­kum den­ken. Das haben wir immer schon so gemacht.
- Richard Leisegang

So rät Richard New­co­mern, immer nach links und rechts zu schau­en und posi­tiv zu blei­ben. Denn die Spar­te der Frei­be­ruf­lich­keit, die Musi­ker ein­schla­gen, setzt eine gewis­se Über­zeu­gungs­kraft beim Publi­kum vor­aus, um damit erfolg­reich zu sein. „Es ist ein har­tes Geschäft“, sagt er, „aber ich wür­de mich als glück­li­chen Künst­ler bezeichnen.“