Ein Interview mit Alexander Gelner
Nur mal kurz die Welt retten
Alexander Gelner ist Promotionsstipendiat bei der Hanns-Seidel-Stiftung und besucht eine Promotionsfachtagung der HSS in Weimar, als wir das Gespräch führen. Weimar ist die Stadt der Dichter und Denker, Gelner promoviert an der Technischen Universität München zum Thema Oxymethylenether, kurz OME.
Zwei Gegensätze? Gelner sieht das anders. Ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe beflügelt ihn bei seiner Doktorarbeit, in der er das Potenzial von OME zur Ermöglichung des klimaneutralen und schadstofffreien Dieselmotors beweisen will. Daher auch die Referenz auf den Dichter: „Wer Großes will, muss sich zusammenraffen.“
Alexander Gelner warnt vor den Folgen der Klimakrise. Die Klimakrise werde Fluchtursache Nummer Eins werden, Klimakatastrophen das Leben aller also massiv beeinflussen. „Daher tragen wir Deutsche als Exportweltmeister und Technologiepioniere eine große Verantwortung für die Zukunft unseres Planeten. Wir haben keine Zeit mehr und brauchen deshalb schnelle Lösungen.“ OME könnte eine schnelle Lösung sein, davon ist der 26-Jährige überzeugt.
Was ist OME?
OME ist ein E‑Fuel, ein synthetischer Kraftstoff, der aus den Produkten CO2 und Wasserstoff hergestellt wird. Das CO2 kann beispielsweise aus Abgasen eines Kohlekraftwerks oder direkt aus der Umgebungsluft herausgefiltert und dann für die OME-Produktion verwendet werden. Bei der Verbrennung von OME wird etwa genauso viel CO2 ausgestoßen wie vorher gebunden wird. Somit ist das OME klimaneutral.
Der Wasserstoff muss zunächst durch Elektrolyse von Wasser gewonnen werden. Damit das OME klimaneutral bleibt, benötigt es grünen Strom aus erneuerbaren Energien für die Elektrolyse . Der junge Forscher macht sich dafür stark, dass dieser Prozess dann im Sonnengürtel der Erde stattfindet. Genauer gesagt im Raum um die Sahara, zum Beispiel in Marokko.
Die Sonneneinstrahlung in diesem Sonnengürtel könnte theoretisch problemlos den Energiebedarf der gesamten Welt decken. Zwischenprodukt des Syntheseprozesses aus Wasserstoff und CO2 ist dann Methanol, das wiederum gilt als Energieträger der Zukunft. Aus dem Methanol wird dann über weitere Syntheserouten Alexander Gelners OME hergestellt. Warum verwendet man nicht gleich den gewonnenen Wasserstoff als Energieträger? Die Antwort: Methanol ist deutlich leichter zu transportieren als Wasserstoff, es ist flüssig und hat eine weit höhere volumenbezogene Energiedichte.
Warum elektrifizieren wir nicht alles mit in Deutschland gewonnenem Strom? Zwar werden fast 50 % des Strombedarfs mit erneuerbaren Energien gedeckt, der Energiebedarf insgesamt aber – dazu zählen neben Strom auch Energieträger für Autos, Flugzeuge oder Heizungen – wird durch weniger als 20 % von erneuerbaren Energien versorgt. In vielen Bereichen ist man mittelfristig weiterhin auf fossile Energieträger angewiesen. Dazu kommt noch das Problem mit der Ladeinfrastruktur für batteriebetriebene E‑Autos.
Um das 1,5‑Grad-Ziel nun zu erreichen bedarf es schneller und zielgerichteter Lösungen. Laut Gelner ist OME auch keine reine Brückentechnologie, sondern viel mehr ein „Medikament, dass gegen akute Schmerzen hilft“. Es wirkt schnell, der Aufwand ist gering und es verschafft Zeit. Aber OME soll nicht andere Energieträger ausschließen. Es geht hierbei schließlich um den richtigen Energieträger – am richtigen Ort, zur richtigen Zeit.
Warum OME?
OME besitzt keine direkten Kohlenstoff-Kohlenstoff-Verbindungen und verfügt darüber hinaus über einen hohen Sauerstoffanteil. Daher verbrennt OME rußfrei. Das wird sichtbar, wenn man den OME-Kraftstoff anzündet. Diesel verbrennt mit einer deutlich sichtbaren, rußigen Flamme im Gegensatz zum OME, dessen Flamme kaum erkennbar ist. Daher hilft der Kraftstoff nicht nur in der Klimakrise, sondern auch in der Luftreinhaltung
OME lässt sich außerdem leicht in der Praxis integrieren, kann in einem konventionellen Dieselmotor ohne viel Aufwand eingesetzt werden. Lediglich die Dichtungen des Kraftstoffsystems müssen ausgetauscht werden. Denn OME löst derzeit verwendete Materialien auf, analog zu den Problemen bei mit höherer Menge Bioethanol versetzten Superkraftstoffen bei älteren Fahrzeugmodellen, bekanntes Beispiel an Tankstellen: E10. Dieses Problem lässt sich vergleichsweise einfach lösen. Durch neue Dichtungen, die sowohl mit OME als auch mit Diesel funktionieren. Darüber hinaus verfügt OME über einen geringeren Energieinhalt als herkömmlicher Diesel. Gelner erläutert: „Der Dieselmotor wurde eben für Diesel aus Erdöl entwickelt und nicht für OME.“ Seiner Aussage nach würde eine geringe Beimischung von OME in Diesel – ähnlich wie es schon beim Biodiesel der Fall ist – sofort den Treibhausgas- und Partikelausstoß aller weltweiten Dieselfahrzeuge reduzieren, ganz ohne eine Umrüstung. Ein kompletter Ersatz von Diesel durch OME vergrößert diesen Effekt natürlich deutlich, macht aber die erwähnten Umrüstungen im Kraftstoffsystem und eine Anpassung der Einspritzung und der Motorapplikation notwendig. „Der Aufwand einer solchen Umrüstung ist im Vergleich zur Neuentwicklung eines Elektro- oder Wasserstofffahrzeugs gering. Vor allem aber ist der Hebelarm über die Bestandsflotte größer als eine lang andauernde Substitution der Fahrzeuge durch batterie- und brennstoffzellenbetriebene Alternativen. Das ist der Hebelarm, den wir jetzt brauchen, sonst ist es in der Klimakrise zu spät.“, so Gelner.
Der Lehrstuhl an der TU München hat in Zusammenarbeit mit der ASG Analytik Service AG sogar ein Motorrad umgerüstet, welches laut Gelner wohl das wahrscheinlich einzige zugelassene Fahrzeug weltweit ist, das mit OME fährt.
„Wir sind viel weiter als gedacht, was das Thema synthetische Kraftstoffe angeht. Nun braucht es die Wirtschaft und Politik, um nun das Thema zu finalisieren“, erklärt Gelner.
Als Wissenschaftler brennt er für OME als Forschungsgebiet und hat sich trotz der Möglichkeit, in die Forschung von Elektroantrieben zu gehen, in welcher es derzeit die besseren Karrierechancen gibt, entschieden, sich voll und ganz dem OME zu widmen. Sein Lebensmotto: Es braucht Authentizität. Jeder solle mit sich selbst im Reinen sein und für seine Leidenschaft brennen. Darüber hinaus braucht es Bewusstsein über den eigenen Horizont und Offenheit für andere Themen und Meinungen. Er will seinen Teil dazu beitragen, um eine der größten Herausforderungen der Menschheitsgeschichte zu meistern – der Kampf gegen den Klimawandel. Der gelingt, frei nach Goethe, nur gemeinsam. Alexander Gelner sagt selbst, dass hinter jedem Ergebnis, aber auch jedem Ziel, harte Arbeit steckt. In diesem Fall ganz besonders.