Ein Interview mit Alexander Gelner

Nur mal kurz die Welt retten

Veröffentlicht am 2. Oktober 2021 von Maximilian Wieczorek

Alex­an­der Gel­ner im Labor – Foto: Alex­an­der Gelner

Alex­an­der Gel­ner ist Pro­mo­ti­ons­sti­pen­di­at bei der Hanns-Sei­del-Stif­tung und besucht eine Pro­mo­ti­ons­fach­ta­gung der HSS in Wei­mar, als wir das Gespräch füh­ren. Wei­mar ist die Stadt der Dich­ter und Den­ker, Gel­ner pro­mo­viert an der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Mün­chen zum The­ma Oxy­me­thy­len­e­ther, kurz OME.

Zwei Gegen­sät­ze? Gel­ner sieht das anders. Ein Zitat von Johann Wolf­gang von Goe­the beflü­gelt ihn bei sei­ner Dok­tor­ar­beit, in der er das Poten­zi­al von OME zur Ermög­li­chung des kli­ma­neu­tra­len und schad­stoff­frei­en Die­sel­mo­tors bewei­sen will. Daher auch die Refe­renz auf den Dich­ter: „Wer Gro­ßes will, muss sich zusammenraffen.“

Alex­an­der Gel­ner warnt vor den Fol­gen der Kli­ma­kri­se. Die Kli­ma­kri­se wer­de Flucht­ur­sa­che Num­mer Eins wer­den, Kli­ma­ka­ta­stro­phen das Leben aller also mas­siv beein­flus­sen. „Daher tra­gen wir Deut­sche als Export­welt­meis­ter und Tech­no­lo­gie­pio­nie­re eine gro­ße Ver­ant­wor­tung für die Zukunft unse­res Pla­ne­ten. Wir haben kei­ne Zeit mehr und brau­chen des­halb schnel­le Lösun­gen.“ OME könn­te eine schnel­le Lösung sein, davon ist der 26-Jäh­ri­ge überzeugt.

Was ist OME?

OME ist ein E‑Fuel, ein syn­the­ti­scher Kraft­stoff, der aus den Pro­duk­ten CO2 und Was­ser­stoff her­ge­stellt wird. Das CO2 kann bei­spiels­wei­se aus Abga­sen eines Koh­le­kraft­werks oder direkt aus der Umge­bungs­luft her­aus­ge­fil­tert und dann für die OME-Pro­duk­ti­on ver­wen­det wer­den. Bei der Ver­bren­nung von OME wird etwa genau­so viel CO2 aus­ge­sto­ßen wie vor­her gebun­den wird. Somit ist das OME klimaneutral.

Der Was­ser­stoff muss zunächst durch Elek­tro­ly­se von Was­ser gewon­nen wer­den. Damit das OME kli­ma­neu­tral bleibt, benö­tigt es grü­nen Strom aus erneu­er­ba­ren Ener­gien für die Elek­tro­ly­se . Der jun­ge For­scher macht sich dafür stark, dass die­ser Pro­zess dann im Son­nen­gür­tel der Erde statt­fin­det. Genau­er gesagt im Raum um die Saha­ra, zum Bei­spiel in Marokko.

Die Son­nen­ein­strah­lung in die­sem Son­nen­gür­tel könn­te theo­re­tisch pro­blem­los den Ener­gie­be­darf der gesam­ten Welt decken. Zwi­schen­pro­dukt des Syn­the­se­pro­zes­ses aus Was­ser­stoff und CO2 ist dann Metha­nol, das wie­der­um gilt als Ener­gie­trä­ger der Zukunft. Aus dem Metha­nol wird dann über wei­te­re Syn­the­se­rou­ten Alex­an­der Gel­ners OME her­ge­stellt. War­um ver­wen­det man nicht gleich den gewon­ne­nen Was­ser­stoff als Ener­gie­trä­ger? Die Ant­wort: Metha­nol ist deut­lich leich­ter zu trans­por­tie­ren als Was­ser­stoff, es ist flüs­sig und hat eine weit höhe­re volu­men­be­zo­ge­ne Energiedichte.

War­um elek­tri­fi­zie­ren wir nicht alles mit in Deutsch­land gewon­ne­nem Strom? Zwar wer­den fast 50 % des Strom­be­darfs mit erneu­er­ba­ren Ener­gien gedeckt, der Ener­gie­be­darf ins­ge­samt aber – dazu zäh­len neben Strom auch Ener­gie­trä­ger für Autos, Flug­zeu­ge oder Hei­zun­gen – wird durch weni­ger als 20 % von erneu­er­ba­ren Ener­gien ver­sorgt. In vie­len Berei­chen ist man mit­tel­fris­tig wei­ter­hin auf fos­si­le Ener­gie­trä­ger ange­wie­sen. Dazu kommt noch das Pro­blem mit der Lade­infra­struk­tur für bat­te­rie­be­trie­be­ne E‑Autos.

Um das 1,5‑Grad-Ziel nun zu errei­chen bedarf es schnel­ler und ziel­ge­rich­te­ter Lösun­gen. Laut Gel­ner ist OME auch kei­ne rei­ne Brü­cken­tech­no­lo­gie, son­dern viel mehr ein „Medi­ka­ment, dass gegen aku­te Schmer­zen hilft“. Es wirkt schnell, der Auf­wand ist gering und es ver­schafft Zeit. Aber OME soll nicht ande­re Ener­gie­trä­ger aus­schlie­ßen. Es geht hier­bei schließ­lich um den rich­ti­gen Ener­gie­trä­ger – am rich­ti­gen Ort, zur rich­ti­gen Zeit.

War­um OME?

OME besitzt kei­ne direk­ten Koh­len­stoff-Koh­len­stoff-Ver­bin­dun­gen und ver­fügt dar­über hin­aus über einen hohen Sau­er­stoff­an­teil. Daher ver­brennt OME ruß­frei. Das wird sicht­bar, wenn man den OME-Kraft­stoff anzün­det. Die­sel ver­brennt mit einer deut­lich sicht­ba­ren, rußi­gen Flam­me im Gegen­satz zum OME, des­sen Flam­me kaum erkenn­bar ist. Daher hilft der Kraft­stoff nicht nur in der Kli­ma­kri­se, son­dern auch in der Luftreinhaltung

OME lässt sich außer­dem leicht in der Pra­xis inte­grie­ren, kann in einem kon­ven­tio­nel­len Die­sel­mo­tor ohne viel Auf­wand ein­ge­setzt wer­den. Ledig­lich die Dich­tun­gen des Kraft­stoff­sys­tems müs­sen aus­ge­tauscht wer­den. Denn OME löst der­zeit ver­wen­de­te Mate­ria­li­en auf, ana­log zu den Pro­ble­men bei mit höhe­rer Men­ge Bio­etha­nol ver­setz­ten Super­kraft­stof­fen bei älte­ren Fahr­zeug­mo­del­len, bekann­tes Bei­spiel an Tank­stel­len: E10. Die­ses Pro­blem lässt sich ver­gleichs­wei­se ein­fach lösen. Durch neue Dich­tun­gen, die sowohl mit OME als auch mit Die­sel funk­tio­nie­ren. Dar­über hin­aus ver­fügt OME über einen gerin­ge­ren Ener­gie­in­halt als her­kömm­li­cher Die­sel. Gel­ner erläu­tert: „Der Die­sel­mo­tor wur­de eben für Die­sel aus Erd­öl ent­wi­ckelt und nicht für OME.“ Sei­ner Aus­sa­ge nach wür­de eine gerin­ge Bei­mi­schung von OME in Die­sel – ähn­lich wie es schon beim Bio­die­sel der Fall ist – sofort den Treib­haus­gas- und Par­ti­kel­aus­stoß aller welt­wei­ten Die­sel­fahr­zeu­ge redu­zie­ren, ganz ohne eine Umrüs­tung. Ein kom­plet­ter Ersatz von Die­sel durch OME ver­grö­ßert die­sen Effekt natür­lich deut­lich, macht aber die erwähn­ten Umrüs­tun­gen im Kraft­stoff­sys­tem und eine Anpas­sung der Ein­sprit­zung und der Motor­ap­pli­ka­ti­on not­wen­dig. „Der Auf­wand einer sol­chen Umrüs­tung ist im Ver­gleich zur Neu­ent­wick­lung eines Elek­tro- oder Was­ser­stoff­fahr­zeugs gering. Vor allem aber ist der Hebel­arm über die Bestands­flot­te grö­ßer als eine lang andau­ern­de Sub­sti­tu­ti­on der Fahr­zeu­ge durch bat­te­rie- und brenn­stoff­zel­len­be­trie­be­ne Alter­na­ti­ven. Das ist der Hebel­arm, den wir jetzt brau­chen, sonst ist es in der Kli­ma­kri­se zu spät.“, so Gelner.

Der Lehr­stuhl an der TU Mün­chen hat in Zusam­men­ar­beit mit der ASG Ana­ly­tik Ser­vice AG sogar ein Motor­rad umge­rüs­tet, wel­ches laut Gel­ner wohl das wahr­schein­lich ein­zi­ge zuge­las­se­ne Fahr­zeug welt­weit ist, das mit OME fährt.

„Wir sind viel wei­ter als gedacht, was das The­ma syn­the­ti­sche Kraft­stof­fe angeht. Nun braucht es die Wirt­schaft und Poli­tik, um nun das The­ma zu fina­li­sie­ren“, erklärt Gelner.

Als Wis­sen­schaft­ler brennt er für OME als For­schungs­ge­biet und hat sich trotz der Mög­lich­keit, in die For­schung von Elek­tro­an­trie­ben zu gehen, in wel­cher es der­zeit die bes­se­ren Kar­rie­re­chan­cen gibt, ent­schie­den, sich voll und ganz dem OME zu wid­men. Sein Lebens­mot­to: Es braucht Authen­ti­zi­tät. Jeder sol­le mit sich selbst im Rei­nen sein und für sei­ne Lei­den­schaft bren­nen. Dar­über hin­aus braucht es Bewusst­sein über den eige­nen Hori­zont und Offen­heit für ande­re The­men und Mei­nun­gen. Er will sei­nen Teil dazu bei­tra­gen, um eine der größ­ten Her­aus­for­de­run­gen der Mensch­heits­ge­schich­te zu meis­tern – der Kampf gegen den Kli­ma­wan­del. Der gelingt, frei nach Goe­the, nur gemein­sam. Alex­an­der Gel­ner sagt selbst, dass hin­ter jedem Ergeb­nis, aber auch jedem Ziel, har­te Arbeit steckt. In die­sem Fall ganz besonders.

Zeigt, dass OME ein Kraft­stoff mit Zukunft ist: das Motor­rad der ASG Ana­ly­tik Ser­vice AG.
Foto: ASG Ana­ly­tik Ser­vice AG.