Thomas Klotz über Bienenpolitik
Nicht nur Bienen retten
Nach dem Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen“ Anfang 2019 in Bayern hat sich einiges getan, erreicht sind die Ziele aber noch nicht ganz. Politikwissenschaftler und Imker Thomas Klotz sprach mit uns über die aktuelle Bienenpolitik und was sich in der öffentlichen Debatte noch verbessern könnte.
„Den Bienen geht’s gut“, erklärt Thomas Klotz, als wir uns in seiner Mittagspause in einem kleinen Park in München treffen. Eine Nachricht wie ein Kontrast, inmitten der steigenden Zahl an Naturkatastrophen, zerstörten Lebensräumen und aussterbenden Tierarten. Und Klotz muss es wissen: Seit er nach dem Abitur in Neuseeland das erste Mal mit der Imkerei in Berührung kam, haben es ihm die Bienen angetan.
Das ist mittlerweile zehn Jahre her, er arbeitet bei der Hanns-Seidel-Stiftung im Bereich Bildung, Hochschulen und Kultur und hat zuhause immer noch fünf Bienenvölker. Im Rahmen seiner Doktorarbeit hat er sich mit der Bienenpolitik im Alpenraum beschäftigt. Das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ hat er deshalb interessiert verfolgt – und übrigens auch unterschrieben. „Weil es viele gute Punkte hat“, sagt er.
Dazu gehört für Klotz der sogenannte Biotopverbund. Es reicht nicht, wenn einzelne Landwirte wild bewachsene Flecken für Bienen bereitstellen. Ein Bienenvolk braucht einerseits den genetischen Austausch mit anderen Völkern und hat andererseits nur einen begrenzten Flugradius. Das bedeutet, dass nur flächendeckende Biotope den Insekten helfen. Auch das Verbot bestimmter Pestizide war laut Klotz zwingend notwendig. Diese können pures Gift für die Tiere sein. Beispielsweise werden ihre Nerven dadurch derart geschädigt, dass sie nicht mehr in ihren Bau zurück finden – trotz ihres eigentlich ganz ausgezeichneten Orientierungssinns.
Mit „Rettet die Bienen“ wurden diese Punkte anscheinend erfolgreich in Angriff genommen, zumindest fühlen sich die Tierchen bei uns wieder wohler. Hat das Volksbegehren also schon erreicht, was es sollte? Nicht ganz, findet Klotz. Ihm fehlen in der Debatte immer noch einerseits ein gemeinschaftlicher, kompromissbereiter Diskurs und andererseits der Blick über die „Biene Maja“ hinaus.
Obgleich im ersten Volksbegehren schon viel für die Insekten getan wurde, reicht das noch nicht. Ein Thema, gerade in einem gemeinsamen Dialog mit den Landwirten, wäre zum Beispiel der Zeitpunkt der ersten Mahd: Diese findet mittlerweile statt, noch bevor der Löwenzahn richtig geblüht hat. Das ist jedoch die erste Blüte im Jahr, die dem Bienenvolk nach dem Winter wieder Nahrung bringt. Andererseits sind die Landwirte auf diesen Feldertrag angewiesen. Sie konkurrieren mit Produkten aus dem Ausland, wo die Auflagen vielleicht nicht so streng sind, und leiden ohnehin schon zunehmend unter Vorschriften und Bürokratie. Es braucht also gemeinsam erarbeitete Lösungen, keine Verbote. Denn was wir heute in der Corona Krise zwischen Impfbefürwortern und ‑gegnern erleben, gab es vor einigen Jahren zwischen Landwirten und Naturschützern: Verhärtete Fronten und wenig Verständnis für die andere Seite. Eine neue Initiative, diesmal auf europäischer Ebene, hat dazu gelernt: Es heißt nun nicht mehr nur „Rettet die Bienen“, sondern „Bienen und Bauern retten“. In der Debatte rund um die erste Abstimmung klang das fast wie ein Widerspruch, obwohl genau das Gegenteil der Fall ist: Bienen können ohne den Schutz der Bauern nicht überleben, genauso wie die Bauern die Bienen für ihre Felder brauchen. Das erklärt Klotz am Beispiel Chinas: Dort gibt es in manchen Landstrichen aufgrund zu vieler Pestizidbehandlungen in der Vergangenheit überhaupt keine Bienen mehr. Stattdessen werden nun unter hohem Ressourcenaufwand kleine Roboter entwickelt, die die Bestäubung vornehmen sollen. Dabei hätte die Natur ja bereits ein perfekt entwickeltes System gehabt und kostenlos zur Verfügung gestellt.
Die Dokumentation „More than honey“, von Klotz empfohlen, stellt auf eindrucksvolle Weise dar, wie diese tausenden kleinen Individuen gemeinsam wie ein einziges Gehirn funktionieren und das mittels Kommunikationstechniken, die der Mensch immer noch nicht komplett versteht. Verfügbar ist der Film immer wieder in Mediatheken oder bei Amazon Prime. Weiter Informationen zum Film sind unter folgendem Link zu finden: http://www.morethanhoney.ch/
Es wäre jedoch auch falsch, die gesamte Verantwortung für den Artenschutz auf die Landwirtschaft abzuladen. Klotz wünscht sich in der breiten Bevölkerung Aufklärung und ein besseres Verständnis für ein gesundes Ökosystem. Wenn es um den Schutz der Bienen (aber auch Themen wie Rente) geht, darf es nicht mehr heißen „die anderen sind schuld“, erklärt Klotz. Nicht mehr Naturschützer gegen Bauern, Mensch gegen Natur, manchmal sogar Imker gegen Imker. Sondern alle gemeinsam. Jeder kann beispielsweise „statt Geranien Schnittlauch am Balkon anpflanzen und blühen lassen“, empfiehlt Klotz. Oder ein Eck im Garten einrichten, in dem alles wachsen kann und zum Beispiel auch totes Holz mal liegen gelassen wird. Manche Dinge sind in unseren Augen vielleicht nicht ästhetisch, aber für andere Spezies überlebenswichtig.
„Den Bienen geht’s gut“ – Aber was ist mit anderen, weniger sympathischen und hübsch anzusehenden Insekten? Klotz ist selber begeistert von den Bienen, dennoch sieht er es als problematisch an, dass sie so sehr im Fokus der Debatte stehen. Die Erklärung dafür ist relativ simpel: Seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden lebt der Mensch bereits mit der Biene als Nutztier. Lange war Honig die einzige Süßigkeit und Kerzenwachs das einzige Beleuchtungsmittel. Durch Sendungen wie „Biene Maja“ wird die Zuneigung der Menschen zu diesem Tier noch geschürt. Sie sind zum Symbol gemacht worden, weil sich damit jeder irgendwie identifizieren kann. Jeder kennt das Summen, jeder hat schon Honig gegessen. Und wenn diese Symbolfigur dabei hilft, das Thema Artenvielfalt und Umweltschutz ins Bewusstsein der Menschen zu rufen, ist das für Klotz auch in Ordnung. Aber: Die Rettung der Bienen reicht nicht. Obwohl es den Honigbienen dank zahlreicher Imker und einem veränderten Bewusstsein der Bevölkerung mittlerweile gut geht, gilt das nicht für andere Insekten. Diese nehmen möglicherweise essenzielle Parts in eigenen Ökosystemen ein und können sie durch ihr Aussterben gefährlich durcheinander bringen. Die Auswirkungen davon sind noch gar nicht abzusehen. Es sollte in der Debatte also nicht nur um die Rettung von Biene Maja gehen, sondern auch um Flip, den Grashüpfer. Und sogar die böse Spinne Thekla.
Klotz ist im Gespräch die Begeisterung anzumerken, vor allem wenn er von besonderen Erlebnissen als Imker erzählt. Ein Beispiel: Schlüpft eine neue Königin, kommuniziert sie durch eine ganz bestimmte Geräuschkulisse, eine Art Hupen oder Quaken, mit ihren Arbeiterinnen. Diese Töne dürfen manche Imker nie erleben, Klotz sogar schon zwei Mal. Wie so etwas klingt, ist hier zu hören: tps://nottinghamtrentuniversity.wistia.com/medias/dta9ltloh1