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Thomas Klotz über Bienenpolitik

Nicht nur Bienen retten

Veröffentlicht am 2. Oktober 2021 von Katharina Ertl

Nach dem Volks­be­geh­ren Arten­viel­falt „Ret­tet die Bie­nen“ Anfang 2019 in Bay­ern hat sich eini­ges getan, erreicht sind die Zie­le aber noch nicht ganz. Poli­tik­wis­sen­schaft­ler und Imker Tho­mas Klotz sprach mit uns über die aktu­el­le Bie­nen­po­li­tik und was sich in der öffent­li­chen Debat­te noch ver­bes­sern könnte. 

Tho­mas Klotz ist Poli­tik­wis­sen­schaft­ler und begeis­ter­ter Hob­by­im­ker. Für die Ban­zia­na hat er von sei­nen Ein­drü­cken aus der Bie­nen­po­li­tik erzählt. Foto: Tho­mas Klotz

„Den Bie­nen geht’s gut“, erklärt Tho­mas Klotz, als wir uns in sei­ner Mit­tags­pau­se in einem klei­nen Park in Mün­chen tref­fen. Eine Nach­richt wie ein Kon­trast, inmit­ten der stei­gen­den Zahl an Natur­ka­ta­stro­phen, zer­stör­ten Lebens­räu­men und aus­ster­ben­den Tier­ar­ten. Und Klotz muss es wis­sen: Seit er nach dem Abitur in Neu­see­land das ers­te Mal mit der Imke­rei in Berüh­rung kam, haben es ihm die Bie­nen angetan. 

Das ist mitt­ler­wei­le zehn Jah­re her, er arbei­tet bei der Hanns-Sei­del-Stif­tung im Bereich Bil­dung, Hoch­schu­len und Kul­tur und hat zuhau­se immer noch fünf Bie­nen­völ­ker. Im Rah­men sei­ner Dok­tor­ar­beit hat er sich mit der Bie­nen­po­li­tik im Alpen­raum beschäf­tigt. Das Volks­be­geh­ren „Ret­tet die Bie­nen“ hat er des­halb inter­es­siert ver­folgt – und übri­gens auch unter­schrie­ben. „Weil es vie­le gute Punk­te hat“, sagt er. 

Dazu gehört für Klotz der soge­nann­te Bio­top­ver­bund. Es reicht nicht, wenn ein­zel­ne Land­wir­te wild bewach­se­ne Fle­cken für Bie­nen bereit­stel­len. Ein Bie­nen­volk braucht einer­seits den gene­ti­schen Aus­tausch mit ande­ren Völ­kern und hat ande­rer­seits nur einen begrenz­ten Flug­ra­di­us. Das bedeu­tet, dass nur flä­chen­de­cken­de Bio­to­pe den Insek­ten hel­fen. Auch das Ver­bot bestimm­ter Pes­ti­zi­de war laut Klotz zwin­gend not­wen­dig. Die­se kön­nen pures Gift für die Tie­re sein. Bei­spiels­wei­se wer­den ihre Ner­ven dadurch der­art geschä­digt, dass sie nicht mehr in ihren Bau zurück fin­den – trotz ihres eigent­lich ganz aus­ge­zeich­ne­ten Orientierungssinns. 

Mit „Ret­tet die Bie­nen“ wur­den die­se Punk­te anschei­nend erfolg­reich in Angriff genom­men, zumin­dest füh­len sich die Tier­chen bei uns wie­der woh­ler. Hat das Volks­be­geh­ren also schon erreicht, was es soll­te? Nicht ganz, fin­det Klotz. Ihm feh­len in der Debat­te immer noch einer­seits ein gemein­schaft­li­cher, kom­pro­miss­be­rei­ter Dis­kurs und ande­rer­seits der Blick über die „Bie­ne Maja“ hinaus. 

Obgleich im ers­ten Volks­be­geh­ren schon viel für die Insek­ten getan wur­de, reicht das noch nicht. Ein The­ma, gera­de in einem gemein­sa­men Dia­log mit den Land­wir­ten, wäre zum Bei­spiel der Zeit­punkt der ers­ten Mahd: Die­se fin­det mitt­ler­wei­le statt, noch bevor der Löwen­zahn rich­tig geblüht hat. Das ist jedoch die ers­te Blü­te im Jahr, die dem Bie­nen­volk nach dem Win­ter wie­der Nah­rung bringt. Ande­rer­seits sind die Land­wir­te auf die­sen Fel­d­er­trag ange­wie­sen. Sie kon­kur­rie­ren mit Pro­duk­ten aus dem Aus­land, wo die Auf­la­gen viel­leicht nicht so streng sind, und lei­den ohne­hin schon zuneh­mend unter Vor­schrif­ten und Büro­kra­tie. Es braucht also gemein­sam erar­bei­te­te Lösun­gen, kei­ne Ver­bo­te. Denn was wir heu­te in der Coro­na Kri­se zwi­schen Impf­be­für­wor­tern und ‑geg­nern erle­ben, gab es vor eini­gen Jah­ren zwi­schen Land­wir­ten und Natur­schüt­zern: Ver­här­te­te Fron­ten und wenig Ver­ständ­nis für die ande­re Sei­te. Eine neue Initia­ti­ve, dies­mal auf euro­päi­scher Ebe­ne, hat dazu gelernt: Es heißt nun nicht mehr nur „Ret­tet die Bie­nen“, son­dern „Bie­nen und Bau­ern ret­ten“. In der Debat­te rund um die ers­te Abstim­mung klang das fast wie ein Wider­spruch, obwohl genau das Gegen­teil der Fall ist: Bie­nen kön­nen ohne den Schutz der Bau­ern nicht über­le­ben, genau­so wie die Bau­ern die Bie­nen für ihre Fel­der brau­chen. Das erklärt Klotz am Bei­spiel Chi­nas: Dort gibt es in man­chen Land­stri­chen auf­grund zu vie­ler Pes­ti­zid­be­hand­lun­gen in der Ver­gan­gen­heit über­haupt kei­ne Bie­nen mehr. Statt­des­sen wer­den nun unter hohem Res­sour­cen­auf­wand klei­ne Robo­ter ent­wi­ckelt, die die Bestäu­bung vor­neh­men sol­len. Dabei hät­te die Natur ja bereits ein per­fekt ent­wi­ckel­tes Sys­tem gehabt und kos­ten­los zur Ver­fü­gung gestellt. 

Wie­sen vol­ler Löwen­zahn in vol­ler Blü­te wer­den immer sel­te­ner, weil die Land­wir­te frü­her mähen müs­sen – dabei wäre das die ers­te Stär­kungs­mög­lich­keit der Bie­nen nach dem Win­ter. Foto: Tho­mas Klotz
In Chi­na wird gera­de an einem Robo­ter gear­bei­tet, der ihre Arbeit erset­zen soll – Bis­lang ist die Bestäu­bungs­leis­tung der Bie­nen jedoch unschlag­bar. Foto: Vol­ker Göbner

Die Doku­men­ta­ti­on „More than honey“, von Klotz emp­foh­len, stellt auf ein­drucks­vol­le Wei­se dar, wie die­se tau­sen­den klei­nen Indi­vi­du­en gemein­sam wie ein ein­zi­ges Gehirn funk­tio­nie­ren und das mit­tels Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­ni­ken, die der Mensch immer noch nicht kom­plett ver­steht. Ver­füg­bar ist der Film immer wie­der in Media­the­ken oder bei Ama­zon Prime. Wei­ter Infor­ma­tio­nen zum Film sind unter fol­gen­dem Link zu fin­den: http://www.morethanhoney.ch/

Es wäre jedoch auch falsch, die gesam­te Ver­ant­wor­tung für den Arten­schutz auf die Land­wirt­schaft abzu­la­den. Klotz wünscht sich in der brei­ten Bevöl­ke­rung Auf­klä­rung und ein bes­se­res Ver­ständ­nis für ein gesun­des Öko­sys­tem. Wenn es um den Schutz der Bie­nen (aber auch The­men wie Ren­te) geht, darf es nicht mehr hei­ßen „die ande­ren sind schuld“, erklärt Klotz. Nicht mehr Natur­schüt­zer gegen Bau­ern, Mensch gegen Natur, manch­mal sogar Imker gegen Imker. Son­dern alle gemein­sam. Jeder kann bei­spiels­wei­se „statt Gera­ni­en Schnitt­lauch am Bal­kon anpflan­zen und blü­hen las­sen“, emp­fiehlt Klotz. Oder ein Eck im Gar­ten ein­rich­ten, in dem alles wach­sen kann und zum Bei­spiel auch totes Holz mal lie­gen gelas­sen wird. Man­che Din­ge sind in unse­ren Augen viel­leicht nicht ästhe­tisch, aber für ande­re Spe­zi­es überlebenswichtig.

„Den Bie­nen geht’s gut“ – Aber was ist mit ande­ren, weni­ger sym­pa­thi­schen und hübsch anzu­se­hen­den Insek­ten? Klotz ist sel­ber begeis­tert von den Bie­nen, den­noch sieht er es als pro­ble­ma­tisch an, dass sie so sehr im Fokus der Debat­te ste­hen. Die Erklä­rung dafür ist rela­tiv sim­pel: Seit Jahr­hun­der­ten oder gar Jahr­tau­sen­den lebt der Mensch bereits mit der Bie­ne als Nutz­tier. Lan­ge war Honig die ein­zi­ge Süßig­keit und Ker­zen­wachs das ein­zi­ge Beleuch­tungs­mit­tel. Durch Sen­dun­gen wie „Bie­ne Maja“ wird die Zunei­gung der Men­schen zu die­sem Tier noch geschürt. Sie sind zum Sym­bol gemacht wor­den, weil sich damit jeder irgend­wie iden­ti­fi­zie­ren kann. Jeder kennt das Sum­men, jeder hat schon Honig geges­sen. Und wenn die­se Sym­bol­fi­gur dabei hilft, das The­ma Arten­viel­falt und Umwelt­schutz ins Bewusst­sein der Men­schen zu rufen, ist das für Klotz auch in Ord­nung. Aber: Die Ret­tung der Bie­nen reicht nicht. Obwohl es den Honig­bie­nen dank zahl­rei­cher Imker und einem ver­än­der­ten Bewusst­sein der Bevöl­ke­rung mitt­ler­wei­le gut geht, gilt das nicht für ande­re Insek­ten. Die­se neh­men mög­li­cher­wei­se essen­zi­el­le Parts in eige­nen Öko­sys­te­men ein und kön­nen sie durch ihr Aus­ster­ben gefähr­lich durch­ein­an­der brin­gen. Die Aus­wir­kun­gen davon sind noch gar nicht abzu­se­hen. Es soll­te in der Debat­te also nicht nur um die Ret­tung von Bie­ne Maja gehen, son­dern auch um Flip, den Gras­hüp­fer. Und sogar die böse Spin­ne Thekla. 

Klotz ist im Gespräch die Begeis­te­rung anzu­mer­ken, vor allem wenn er von beson­de­ren Erleb­nis­sen als Imker erzählt. Ein Bei­spiel: Schlüpft eine neue Köni­gin, kom­mu­ni­ziert sie durch eine ganz bestimm­te Geräusch­ku­lis­se, eine Art Hupen oder Qua­ken, mit ihren Arbei­te­rin­nen. Die­se Töne dür­fen man­che Imker nie erle­ben, Klotz sogar schon zwei Mal. Wie so etwas klingt, ist hier zu hören: tps://nottinghamtrentuniversity.wistia.com/medias/dta9ltloh1