Latein, Katholische Theologie: Katharina Stefaniw und der Weltuntergang

Neulateinische Endzeitrechnungen 

Veröffentlicht am 3. April 2024 von Jana Paulina Lobe

Katha­ri­na ist Dok­to­ran­din an der Eber­hard Karls Uni­ver­si­tät Tübin­gen. Ergeb­nis ihrer inter­dis­zi­pli­när ange­leg­ten Dis­ser­ta­ti­on in Lati­nis­tik und Theo­lo­gie wird die Über­set­zung und Kom­men­tie­rung eines Wer­kes mit dem Titel „Coniec­tu­ra de ulti­mis die­bus“ [=Ver­mu­tung über die letz­ten Tage]. Dar­in ver­sucht der spät­mit­tel­al­ter­li­che Phi­lo­soph Niko­laus von Kues, den Zeit­punkt des Welt­un­ter­gangs zu berech­nen. Zwar lag er knapp 300 Jah­re dane­ben – in unse­rem Inter­view offen­bart Katha­ri­na, wes­halb die Beschäf­ti­gung mit sei­ner Schrift den­noch lohnt und war­um Zeit­rech­nung und ‑pla­nung auch für den Pro­mo­ti­ons­pro­zess uner­läss­lich ist.

Hät­tet ihr erra­ten, was Katha­ri­na studiert?

Stell dir vor, wir trä­fen uns auf Klos­ter Banz beim Mit­tag­essen im Rah­men eines Semi­nars. Was wür­dest du über dich erzäh­len? 

Zuerst wür­de ich erzäh­len, dass ich aus Tübin­gen kom­me und dort auch schon sehr lan­ge bin, da mein Stu­di­en­ort und Pro­mo­ti­ons­ort der­sel­be ist. Kommt es dann zur Fra­ge, was ich stu­die­re, wür­de ich mit einem Augen­zwin­kern mein Gegen­über raten las­sen. Die Erfah­rung zeigt, dass die Auf­lö­sung die­ses Rät­sels meist gemisch­te Gefüh­le aus­löst: zwi­schen Neu­gier, Über­ra­schung, Bewun­de­rung und Bestür­zung ist meis­tens alles dabei. Das heißt, dass die Nen­nung mei­ner Fächer meis­tens schon ein guter Eis­bre­cher ist. 

Ich weiß nicht, ob ich rich­tig gera­ten hät­te! Was ist dein aka­de­mi­scher Wer­de­gang? 

Ich habe in Tübin­gen Katho­li­sche Theo­lo­gie und Latein auf Lehr­amt stu­diert, und zwar noch im alten Staats­examens­stu­di­en­gang. Mei­ne Zulas­sungs­ar­beit habe ich in Katho­li­scher Theo­lo­gie im Fach­be­reich Fun­da­men­tal­theo­lo­gie ver­fasst. Der Titel lau­te­te: „Gott der Hoff­nung – Per­spek­ti­ven zu einem ver­ant­wor­te­ten Got­tes­ge­dan­ken im Anschluss an W. Pan­nen­berg“.  Wäh­rend des Stu­di­ums war ich für eine Zeit lang Tuto­rin und wis­sen­schaft­li­che Hilfs­kraft am Lehr­stuhl für Latei­ni­sche Phi­lo­lo­gie, spä­ter auch in der Fun­da­men­tal­theo­lo­gie. Nach den bei­den Staats­exami­na star­te­te ich im Früh­jahr 2019 mit mei­nem Pro­mo­ti­ons­pro­jekt. Gleich­zei­tig begann mein Lehr­auf­trag an der Uni Tübin­gen, wel­chen ich bis heu­te habe. Jedes Semes­ter unter­rich­te ich das Pro­pä­deu­ti­kum für Stu­di­en­an­fän­ger im Fach Latein. Aber auch einen Lek­tü­re­kurs in Neu­la­tein hielt ich bereits als Dozen­tin ab. Mei­ne Lie­be zu Neu­la­tein wur­de beson­ders durch einen For­schungs­auf­ent­halt am Lud­wig-Boltz­mann-Insti­tut für Neu­la­tei­ni­sche Stu­di­en in Inns­bruck geweckt. Hier durf­te ich zwei Mona­te an mei­nem Pro­jekt arbei­ten und es unter Exper­ten zur Debat­te stellen. 

Bestimmt eine berei­chern­de Zeit! Gibt es wei­te­re High­lights in dei­ner wis­sen­schaft­li­chen Lauf­bahn? 

Wäh­rend mei­nes Stu­di­ums, aber auch beson­ders wäh­rend mei­nes Pro­mo­ti­ons­stu­di­ums, war mir der inter­dis­zi­pli­nä­re Dia­log sehr wich­tig, nicht zuletzt, weil mein Pro­jekt selbst an zwei Fächer­gren­zen ange­legt ist: zwi­schen Latein und Katho­li­scher Theo­lo­gie. Daher war ich 2021/22 Kol­le­gia­tin des Stu­di­en­kol­legs am Tübin­ger Forum für Wis­sen­schafts­kul­tu­ren, wo wir uns inten­siv mit dem The­ma „Reli­gi­on und Welt­an­schau­ung im wis­sen­schaft­li­chen Zeit­al­ter“ aus­ein­an­der­setz­ten. Über die Kon­tak­te durch das Stu­di­en­kol­leg nahm ich dann auch an einer wei­te­ren inter­dis­zi­pli­nä­ren Nach­wuchs­ta­gung des Tübin­ger Forum für Wis­sen­schafts­kul­tu­ren teil. Hier wird es dem­nächst dann zwei Publi­ka­tio­nen geben, wor­auf ich mich sehr freue. Ansons­ten hal­te ich immer wie­der klei­ne­re Vor­trä­ge auf unter­schied­li­chen Kon­fe­ren­zen und in unter­schied­li­chen Kon­tex­ten, was mir sehr viel Freu­de bereitet. 

Katha­ri­na bei der Nach­wuchs­ta­gung des Tübin­ger Forums für Wissenschaftskulturen

Wie lan­ge bist du schon in der Stif­tung? 

Ich bin jetzt seit Okto­ber 2020 in der Pro­mo­ti­ons­för­de­rung der HSS. Kurz nach mei­ner Auf­nah­me in die För­de­rung wur­de ich Spre­che­rin der Sti­pen­dia­ten­grup­pe der Uni Tübin­gen und bin daher sehr eng mit der HSS ver­bun­den. Das Enga­ge­ment in und um die Grup­pe hat mir rich­tig viel Spaß gemacht. 

Wann stand für dich fest, dass du pro­mo­vie­ren möch­test? Wie fiel die Ent­schei­dung für dei­nen Dok­tor­va­ter oder den Stand­ort? 

Die Idee, ein Pro­mo­ti­ons­pro­jekt anzu­ge­hen, kam erst in der Abschluss­pha­se mei­nes Stu­di­ums. Mein Theo­lo­gie­pro­fes­sor hat­te mich damals auf das The­ma auf­merk­sam gemacht. Da ich aber als Lehr­ämt­le­rin nicht so ein­fach in der Katho­li­schen Theo­lo­gie pro­mo­vie­ren konn­te (man hät­te ein Ergän­zungs­stu­di­um machen müs­sen, was sehr viel Zeit bean­sprucht hät­te), beschlos­sen wir die Erst­be­treu­ung in der Latei­ni­schen Phi­lo­lo­gie anzu­set­zen, was letzt­end­lich auch für das Pro­jekt sehr sinn­voll ist. Das heißt ich bin sowohl in der Erst- als auch Zweit­be­treu­ung mei­ner bei­den Fach­be­rei­che gut bera­ten, habe sowohl lati­nis­ti­sche als auch theo­lo­gi­sche Exper­ten um mich und bin mit mei­nen bei­den Dok­tor­vä­tern sehr zufrie­den. In Tübin­gen zu blei­ben hat­te ganz prak­ti­sche Grün­de, da das Theo­lo­gi­cum und der theo­lo­gi­sche Fach­be­reich der Uni­ver­si­täts­bi­blio­thek extrem gut aus­ge­stat­tet sind, und auch die Lati­nis­tik ist in Tübin­gen sehr gut auf­ge­stellt. Durch die Working-Group und das Ober­se­mi­nar mei­nes ers­ten Dok­tor­va­ters, habe ich außer­dem ein super Netz­werk direkt vor Ort, in wel­chem man sich auf fach­li­cher, aber auch per­sön­li­cher Ebe­ne aus­tau­schen und hel­fen kann. 

Seit wann pro­mo­vierst du und wel­ches Abga­be­da­tum sieht dein Zeit­plan vor? 

Direkt nach dem Staats­examen, also im Som­mer 2019, habe ich begon­nen, an dem Pro­jekt zu arbei­ten, ers­te Lite­ra­tur­sich­tun­gen vor­zu­neh­men und an mei­nem Expo­sé zu schrei­ben. Für die Vor­ar­bei­ten und die Sti­pen­di­ums­be­wer­bung bei der HSS ver­ging also bei­na­he ein Jahr. Das war aber inso­fern auch wich­tig, als ich mich nicht wie manch ande­re bereits in mei­ner Abschluss­ar­beit mit dem The­ma befass­te, son­dern mich sowohl in den Autor des Tex­tes, also Nico­laus Cusa­nus, als auch in das spät­mit­tel­al­ter­li­che Latein ein­ar­bei­ten musste. 

Im Pro­mo­ti­ons­pro­zess muss man immer wie­der sei­nen Zeit­plan über­ar­bei­ten und die Arbeit neu struk­tu­rie­ren. Ursprüng­lich hat­te ich vor, ca. zwei Jah­re an dem Text zu arbei­ten. Ver­tieft man sich jedoch in ein­zel­ne Gedan­ken oder spe­zi­el­le Text­stel­len, muss man schnell zuse­hen, dass man nicht „zu tief gräbt“. Es ist meis­tens ein Balan­ce­akt: sich einer­seits an den Plan zu hal­ten, sich ande­rer­seits aber auch neu­en Gedan­ken und Chan­cen nicht zu ver­weh­ren und die­sen genug Raum zu geben. Damit mei­ne ich bei­spiels­wei­se auch Vor­trags­an­fra­gen oder Publi­ka­ti­ons­an­ge­bo­te, wel­che auch eine gewis­se Zeit in Anspruch neh­men. Man muss daher stän­dig abwä­gen, wie­viel Zeit jede neue Auf­ga­be ein­nimmt, und wie vie­le Res­sour­cen man sowohl zeit­lich als auch finan­zi­ell, aber vor allem gedank­lich zur Ver­fü­gung hat. Mein Zeit­plan sieht nun vor, Ende des Jah­res abge­ge­ben zu haben. 

Du schreibst dei­ne Dis­ser­ta­ti­on über das Werk Coniec­tu­ra de ulti­mis die­bus von Nico­laus Cusa­nus. Wie lau­tet dein genau­er Titel und was beinhal­tet dein Pro­mo­ti­ons­vor­ha­ben?  

Mein Pro­jekt hat den Titel „Nico­laus Cusa­nus: Coniec­tu­ra de ulti­mis die­bus. Ein­lei­tung. Über­set­zung. Kommentar.“ 

Das beschreibt die Drei­er­tei­lung mei­ner Arbeit ganz gut: zual­ler­erst ver­fas­se ich eine Über­set­zung des latei­ni­schen Tex­tes, da es hier bis­her kei­ne gute deut­sche Über­set­zung gibt. In der Ein­lei­tung wer­den sämt­li­che The­men rund um den Text ver­han­delt: Ent­ste­hungs­kon­text, Argu­men­ta­ti­on, Rezep­ti­on etc. Sie dient also als Hin­füh­rung und Ein­ord­nung des Tex­tes. Der Kom­men­tar ist phi­lo­lo­gisch-theo­lo­gi­scher Art, was bedeu­tet, dass ich mir einer­seits sprach­li­che Beson­der­hei­ten anschaue, ande­rer­seits aber auch theo­lo­gi­sche Argu­men­te im Kom­men­tar erläutere. 

Katha­ri­na vor einer Gedenk­ta­fel für Nico­laus Cusa­nus am Dom von Bri­xen, wo er lan­ge als Fürst­bi­schof wirkte

Um in aller Kür­ze zu beschrei­ben, wor­um es inhalt­lich geht: in die­sem kur­zen Text berech­net Nico­laus Cusa­nus, wann die letz­ten Tage der Welt ein­tre­ten wer­den. Gleich­zei­tig sagt er am Anfang und Ende jeweils, dass der Mensch den Lauf der Zeit aller­dings nicht wis­sen kann und nur Ver­mu­tun­gen anstel­len kann und darf. Auf sprach­li­cher Ebe­ne ist inter­es­sant, dass die Rah­men­tei­le des Tex­tes sti­lis­tisch viel fei­ner aus­ge­stal­tet sind als der Mit­tel­teil, in wel­chem ein wil­der Mix aus Bibel­zi­ta­ten, Quer­ver­wei­sen zu Kir­chen­vä­tern und Berech­nun­gen prä­sen­tiert wird. Zuletzt behaup­tet Cusa­nus dann auch noch, dass sei­ne Berech­nun­gen und Über­le­gun­gen bes­ser sei­en als alle bis­he­ri­gen. Das macht natür­lich neu­gie­rig. Span­nend ist zudem, dass die­ser Text das ers­te gedruck­te Werk von Cusa­nus war und im 15. und 16. Jahr­hun­dert sehr oft über­setzt und abge­schrie­ben oder gedruckt wur­de. Das heißt, es bestand ein reges Inter­es­se an die­sem Text, der sicher auch zur Bekannt­heit von Nico­laus Cusa­nus und sei­nen ande­ren Wer­ken bei­getra­gen hat. 

War­um liegt aktu­ell noch kei­ne gute deutsch­spra­chi­ge Über­set­zung vor? 

Das liegt mei­ner Mei­nung dar­an, dass sich die For­schung die­sen Text nur als End­zeit­be­rech­nung ange­se­hen hat und weni­ger als erkennt­nis­theo­re­ti­schen oder sogar stra­te­gi­schen Text zur Ver­brei­tung sei­ner phi­lo­so­phi­schen Spe­ku­la­tio­nen. Das Pro­blem ist zudem, dass in die­sem rela­tiv kur­zen Werk ganz vie­le ver­schie­de­ne The­men ange­ris­sen wer­den und der Text daher sehr unüber­sicht­lich wird. Bei der Ein­ord­nung und Inter­pre­ta­ti­on soll daher der Kom­men­tar hel­fen und den Text so der aktu­el­len Cusa­nus-For­schung wie­der leich­ter zugäng­lich machen. 

Wie berich­test du von dei­nem Dis­ser­ta­ti­ons­pro­jekt auf Par­tys und Fami­li­en­tref­fen?  

Das ist eine lus­ti­ge Fra­ge. 😊 Je nach Gegen­über und den Reak­tio­nen kann man mal mehr und mal weni­ger in die Tie­fe gehen. Meis­tens muss man erst ein­mal erklä­ren, wie­so Latein und wie­so Theo­lo­gie über­haupt. Bei vie­len Gesprächs­part­nern ist es mit der Bestür­zung über die eige­ne Latein­zeit an der Schu­le schon getan. Sel­te­ner sind die­je­ni­gen, die mit Freu­de an ihre Schul­zeit und Latein und „Reli“ zurück­bli­cken. Aber auch die gibt es, und man bekommt sehr viel Begeis­te­rung zu spüren. 

Ist das Gespräch dann aber mal tat­säch­lich bis zum The­ma des Pro­mo­ti­ons­pro­jekts gelangt, fängt man am bes­ten mit der Über­set­zung an, da man sich dar­un­ter am meis­ten vor­stel­len kann: „Ich über­set­ze einen latei­ni­schen Text, der im Spät­mit­tel­al­ter von einem Theo­lo­gen und Phi­lo­so­phen namens Niko­laus von Kues, ver­fasst wur­de.“ Meis­tens ist dann die Fra­ge, wor­um es in dem Text geht, wor­auf­hin ich sage: 

Das klingt gut greif­bar, auch für Latein­muf­fel! Was fas­zi­niert dich beson­ders an dei­ner For­schung? 

Mit Nico­laus Cusa­nus befin­den wir uns sprach­lich an einer Gren­ze zwi­schen Mit­tel- und Neu­la­tein. Das schlägt sich in dem Text nie­der, indem man­che Tei­le cice­ro­ähn­lich sind und ande­re wie­der­um wie eine ein­fa­che Anein­an­der­rei­hung von Bibel­zi­ta­ten wir­ken. Mich in den cusa­ni­schen Schreib­stil ein­zu­ar­bei­ten, war zunächst sehr fas­zi­nie­rend und ich war über­rascht, wie­viel Erkennt­nis mir doch die sprach­li­che Ana­ly­se brachte. 

Gleich­zei­tig gefällt mir die Phi­lo­so­phie und Theo­lo­gie des Cusa­nus sehr gut, da sie eine gewis­se Offen­heit für ande­re Ansät­ze mit sich bringt. Mir gefällt es, Bezü­ge zu den ande­ren Wer­ken des Autors, aber auch sei­ner Zeit her­zu­stel­len und den Text so in den Kon­text sei­ner Zeit einzuordnen. 

Span­nend fin­de ich das wech­sel­sei­ti­ge Ver­hält­nis von lesen, den­ken, schrei­ben. Manch­mal fühlt man förm­lich den her­me­neu­ti­schen Zir­kel, in dem man sich bei der Bear­bei­tung eines bestimm­ten Abschnit­tes befindet. 

Wie hat sich dein The­ma seit der Fest­le­gung ent­wi­ckelt, zu wel­chen Tei­len stimmt es noch mit dei­ner Aus­gangs­idee über­ein, was hat sich ver­än­dert? 

Obwohl sich immer wie­der die Fein­glie­de­rung, ein­zel­ne Gedan­ken oder Inter­pre­ta­tio­nen, und sogar die ers­te Ver­si­on der Über­set­zung ändern, habe ich doch das Glück, dass ich mich immer wie­der am latei­ni­schen Text ori­en­tie­ren kann und daher mei­ne Aus­gangs­idee und mein gro­ber Rah­men der Arbeit immer noch die­sel­ben sind wie geplant. 

Wor­an arbei­test du im Moment? 

Aktu­ell befin­de ich mich am Anfang der Abschluss­schreib­pha­se (viel­leicht so im letz­ten Drit­tel). Das bedeu­tet, ich bin an den letz­ten Tei­len des Kom­men­tars, also ziem­lich am Ende des Tex­tes. Aller­dings springt man trotz­dem immer wie­der hin und her und die Anfer­ti­gung der Ein­lei­tung und die Über­ar­bei­tung der Über­set­zung gehen oft mit der Anfer­ti­gung des Kom­men­tars einher. 

Wel­che Hür­den und Schwie­rig­kei­ten gibt/gab es für dich im For­schungs- oder Schreib­pro­zess? 

Wie bereits erwähnt, ist eine der größ­ten Schwie­rig­kei­ten, den Über­blick zu bewah­ren und sich nicht im Detail zu ver­lie­ren. Mein Dok­tor­va­ter hat das ein­mal schön aus­ge­drückt, als er gesagt hat „Man muss den Wald und die gan­zen Bäu­me gleich­zei­tig sehen“. Sich in der Lite­ra­tur­re­cher­che oder an Ein­zel­ge­dan­ken zu lan­ge auf­zu­hal­ten, ist, den­ke ich, die größ­te Schwie­rig­keit beim Promotionsprozess. 

Immer wie­der, aber beson­ders am Anfang, hat man dabei das Gefühl, noch gar nicht genug zu wis­sen; daher war eine gro­ße Hür­de für mich, end­lich auf­zu­hö­ren Exzerp­te anzu­fer­ti­gen und direkt mit dem Schrei­ben anzufangen. 

Auch wenn ich eine super Working-Group und gute Dok­to­ran­den­kol­le­gen habe, ist es doch oft so, dass man sich allei­ne mit sei­ner Arbeit fühlt. Das ist einer­seits gut, denn kei­ner ist so sehr Exper­te für das eige­ne The­ma wie man selbst, ande­rer­seits ist man manch­mal rat­los und viel­leicht auch unsicher. 

Das kann ich mir vor­stel­len. Wie kämpfst du gegen die­se Unsi­cher­heit an, was moti­viert dich, bei „Durst­stre­cken“ wei­ter­zu­ma­chen? 

Katha­ri­na prä­sen­tiert ihre Dis­ser­ta­ti­on auf der Selbst­ge­stal­te­ten Promovendentagung

Ein Pro­mo­ti­ons­pro­jekt ist meis­tens – zumin­dest, wenn es nicht in einem grö­ße­ren Pro­jekt ein­ge­glie­dert ist – ein Solo­pro­jekt. Nicht­de­sto­trotz hilft es in Durst­stre­cken, sich mit ande­ren aus­zu­tau­schen, auch Fach­frem­den, denn hier muss man sich bemü­hen, sei­ne Gedan­ken klar und knapp zu kom­mu­ni­zie­ren. Meis­tens löst sich dann die ein oder ande­re Fra­ge ganz von selbst. Vor allem in grö­ße­ren Durst­stre­cken, kann ein Gespräch mit dem Dok­tor­va­ter sehr hilf­reich sein und vor allem neue Per­spek­ti­ven bieten. 

Äußerst wert­voll ist es für mich, mein Pro­mo­ti­ons­pro­jekt, einen Teil­aspekt oder einen Abschnitt in einem brei­te­ren Kon­text zu prä­sen­tie­ren. Das kann das For­schungs­kol­lo­qui­um des Dok­tor­va­ters sein, aber auch Fach­kon­fe­ren­zen geben einem einen neu­en Ansporn. Nicht zuletzt erle­be ich immer einen sehr gro­ßen Moti­va­ti­ons­schub bei der Selbst­ge­stal­te­ten Pro­mo­ven­den­ta­gung der HSS. Das eige­ne Pro­jekt hier inter­dis­zi­pli­när vor­zu­stel­len, aber auch die Begeis­te­rung der ande­ren Sti­pen­dia­ten für ihre Pro­jek­te zu hören, ist sehr motivierend. 

Und wenn ein­mal gar nichts mehr hilft, ist es manch­mal bes­ser, die Arbeit an der Dis­ser­ta­ti­on für ein paar Tage bewusst zur Sei­te zu legen, etwas ande­res zu machen und nach einer gewis­sen Zeit wie­der mit fri­schem Kopf weiterzudenken. 

Was tust du als Aus­gleich zum wis­sen­schaft­li­chen Schrei­ben und Arbei­ten? 

An der Uni emp­fin­de ich es als Aus­gleich, selbst Lehr­ver­an­stal­tun­gen abzu­hal­ten oder Vor­trä­ge in Kol­lo­qui­en vor­zu­be­rei­ten, denn da merkt man, wel­che Fort­schrit­te man per­sön­lich gemacht hat. Das ist zwar auch „All­tag“ des wis­sen­schaft­li­chen Arbei­tens, aber doch abwechs­lungs­rei­cher, als die gan­ze Zeit an der Arbeit zu schreiben. 

Ein wich­ti­ger Aus­gleich sind für mich regel­mä­ßi­ger Sport oder sehr lan­ge Spa­zier­gän­ge. Lässt es die Zeit zu, gehe ich auch ger­ne wan­dern, egal ob mit Freun­den oder allei­ne. Das sor­tiert mei­nen Geist meistens. 

Aber auch ein ein­fa­cher Kaf­fee­klatsch am Nach­mit­tag kann eine heil­sa­me Abwechs­lung sein. 

Hast du schon Ideen oder Plä­ne, wie es nach Abschluss der Pro­mo­ti­on für dich wei­ter­ge­hen soll? 

Das ist eine der schwie­rigs­ten Fra­gen. Um das Gedan­ken­cha­os rund um die­se Fra­ge zu sor­tie­ren, aber auch, um eine siche­re Opti­on inne­zu­ha­ben, wer­de ich mich für das Refe­ren­da­ri­at in Baden-Würt­tem­berg anmel­den. Das heißt, zunächst mal Latein und Reli­gi­on unter­rich­ten am Gym­na­si­um. Aller­dings hal­te ich auch Ohren und Augen offen bezüg­lich Stel­len an der Uni oder sons­ti­gen Ange­bo­ten. Lei­der sieht es in mei­nen bei­den Fächern dies­be­züg­lich aktu­ell nicht beson­ders rosig aus, wes­halb ich mich erst­mal auf die Schu­le kon­zen­trie­ren wer­de, damit ich mei­ne Lehr­amts­aus­bil­dung, die mit dem Stu­di­um begon­nen wur­de, end­lich abschlie­ße. Danach wer­de ich dann über wei­te­re Wege und Mög­lich­kei­ten nachdenken.