Sonnenaufgang am Sonntagmorgen vor der Aussendungsmesse (Foto: R. Hospodár)
Sonnenaufgang am Sonntagmorgen vor der Aussendungsmesse (Foto: R. Hospodár)

Zwei Stipendiaten beim Weltjugendtag

Wenig Schlaf, viele Begegnungen

Veröffentlicht am 10. Dezember 2023 von Jana Paulina Lobe

Fran­zis­ka reibt sich die Augen. Das Schlaf­de­fi­zit, das sie in den letz­ten Tagen auf­ge­baut hat, hät­te sie gera­de etwas aus­glei­chen kön­nen. Hät­te. Wür­den da nicht Bäs­se dröh­nen. Um 6 Uhr mor­gens. Sie schaut sich um. Tau­sen­de von jun­gen Men­schen in Schlaf­sä­cken, alle eben­so ver­dutzt und schlaf­trun­ken wie sie. Der Tejo-Park in Lis­sa­bon ist gefüllt von katho­li­schen Jugend­li­chen, die statt einer Mor­gen­mes­se auf den Lein­wän­den einen DJ sehen. Statt durch Glo­cken­ge­läut wer­den sie durch Tech­n­obeats geweckt.

Es fühlt sich an, als wäre ich in Por­tu­gal dabei­ge­we­sen. Fran­zis­ka, zurück in Deutsch­land, berich­tet anschau­lich von ihren Eindrücken.

Kaum zu glau­ben war es für sie, dass an die­sem Ort am vor­he­ri­gen Abend Papst Fran­zis­kus auf der Büh­ne stand. Kaum zu glau­ben, dass 1,5 Mil­lio­nen Jugend­li­che gemein­sam gesun­gen, gebe­tet und Got­tes­dienst gefei­ert haben. Kaum zu glau­ben, ange­sichts die­ser Geräusch­ku­lis­se, dass ges­tern bei Son­nen­un­ter­gang der gan­ze Park schwei­gend innehielt.

Der Glau­be aber ist es, der die 21-jäh­ri­ge HSS-Sti­pen­dia­tin Fran­zis­ka Mader im August zum Welt­ju­gend­tag nach Lis­sa­bon geführt hat. Sie stu­diert im fünf­ten Semes­ter Grund­schul­lehr­amt mit dem Haupt­fach Reli­gi­ons­leh­re an der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät Eich­stätt-Ingol­stadt. In ihrer Hei­mat­ge­mein­de enga­giert sie sich im Pfarr­ge­mein­de­rat. Vom Welt­ju­gend­tag hat­te sie zwar schon gehört. Aber erst, als ihr eine Kom­mi­li­to­nin erzählt, sie wer­de mit den Cruzadas de San­ta María teil­neh­men, ent­schließt sich Fran­zis­ka: auf nach Por­tu­gal! Bei den Cruzadas han­delt es sich um ein Säku­lar­in­sti­tut, das schon zum Vor­pro­gramm, den Tagen der Begeg­nung, anreist. Ende Juli flie­gen sie also gemein­sam von Mün­chen nach Lis­sa­bon. Dort wer­den die Grup­pen auf ein­zel­ne Diö­ze­sen ver­teilt. Fran­zis­ka und die Cruszdas fin­den ihren Schlaf­platz in einer Turn­hal­le im Bis­tum Lei­ria-Fáti­ma. Es ist drei Uhr nachts, als der Bus sie zum Ziel bringt.

Gewiss kein gewöhnlicher Sommerurlaub

Auf wenig Schlaf und unbe­que­me Unter­künf­te hat sie sich ein­ge­stellt. Aber auch auf gute Stim­mung und Voll­ver­pfle­gung. Das ist im Pil­ger­kit für Fran­zis­kas Grup­pe ent­hal­ten. Nur, dass sie bei ihrer Ankunft eine fal­sche Essens­kar­te bekommt. Vege­ta­risch hat­te sie ange­kreuzt. Jetzt wird ihr Fleisch ser­viert. Sala­mi und Schin­ken als Belag. Die nächs­ten Tage muss sie sich von scha­len Sem­meln ernähren.

Fran­zis­kas Aus­stat­tung für die Tage der Begeg­nung (Foto: F. Mader)

Woher nimmt sie die Ener­gie für das voll­ge­pack­te Pro­gramm? Es muss wohl das Gemein­schafts­ge­fühl sein, das sie trägt. Schon bei den Tagen der Begeg­nung ste­hen täg­lich Ver­an­stal­tun­gen auf dem Plan. Und dann der Welt­ju­gend­tag, der eigent­lich eine Woche ist. Die Tage begin­nen um 8, vor 11 Uhr fal­len die Jugend­li­chen sel­ten in ihr Herbergsbett.

Am Diens­tag die gro­ße Eröff­nungs­mes­se in Par­que Edu­ar­do VII, Kreuz­weg­an­dacht am Frei­tag, täg­lich Jugend­fes­ti­val und Kate­che­sen. Für Sight­see­ing bleibt kei­ne Zeit. Und die­se Hit­ze! Man ist sel­ten so dank­bar über küh­le Kirchenräume.

Für all die Stra­pa­zen ent­schä­di­gen die gemein­sa­men Momen­te der Ein­kehr. „Täg­lich mehr­mals Got­tes­dienst zu fei­ern ist etwas, was ich im All­tag so nicht mache.“, meint Fran­zis­ka. Einer davon sticht beson­ders her­aus. Über die Vigil mit Papst Fran­zis­kus am Sams­tag­abend gerät Fran­zis­ka ins Schwär­men. „Da ist dann die Son­ne unter­ge­gan­gen, es wur­de gesun­gen, getanzt, es gab rie­si­ge Lichtinstallationen…“

Auf dem Weg zu den Groß­ver­an­stal­tun­gen. Die Fah­nen zei­gen die natio­na­le Zuge­hö­rig­keit der Jugend­li­chen (Foto: F. Mader)

Und dann sind da die inspi­rie­ren­den Begeg­nun­gen mit Jugend­li­chen aus aller Welt. Schon beim Vor­pro­gramm teilt Fran­zis­ka ihre Unter­kunft mit Spa­nie­rin­nen und Kolum­bia­ne­rin­nen. Sie selbst kann kein Spa­nisch, prak­ti­scher­wei­se hat sie durch die Cruzadas Dol­met­sche­rin­nen bei sich. „Es gab kei­nen Kon­ti­nent, von dem ich nicht mit jeman­dem gespro­chen habe“. Sie zählt auf: Süd­ko­rea, Japan, Bra­si­li­en, USA – Fähn­chen der ein­zel­nen Grup­pen zei­gen an, aus wel­chen Natio­nen sie ange­reist sind. Wer außer ihr das deut­sche Fähn­chen bei sich trägt, weiß Fran­zis­ka da noch nicht.

„Die Dimen­sio­nen sind über­wäl­ti­gend, die schie­re Anzahl an Men­schen unbe­schreib­lich.“
- Fran­zis­ka Mader

Das alles berich­tet Fran­zis­ka ihren Mit­sti­pen­dia­ten. Vor zwei Tagen ist sie zurück­ge­kom­men. Jetzt sitzt sie beim Abend­essen auf Klos­ter Banz. Da fällt ihr Blick auf eine blaue Pil­ger­fla­sche. Es reckt sich ein Kopf vor. 

„Du auch?“

Rado­s­lav ist eben­falls gera­de zurück aus Por­tu­gal. Aus­ge­rech­net hier, beim Semi­nar „Sinn­fra­gen“, kreu­zen sich die Wege der zwei Sti­pen­dia­ten. Auch Rado­s­lav stu­diert an der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät, doch sie haben sich sowohl im All­tag als auch beim Welt­ju­gend­tag verpasst.

Rado­s­lav Hos­po­dár, ursprüng­lich aus der Slo­wa­kei, ist wäh­rend sei­nes Bache­lor­stu­di­ums bei­na­he mehr im Aus- als im Inland unter­wegs: sei­ne Semes­ter teil­te der Betriebs­wirt­schafts­stu­dent auf drei Län­der in drei Kon­ti­nen­ten auf. Sei­ne Aus­lands­auf­ent­hal­te führ­ten Rado­s­lav zunächst nach Tou­lou­se, Frank­reich, dann nach Peking, Chi­na. Zum Zeit­punkt unse­res Inter­views absol­viert er sein Abschluss­se­mes­ter in Ohio in den USA.

Noch in Chi­na hat Rado sich für den Welt­ju­gend­tag in Lis­sa­bon ange­mel­det, nach­dem er 2016 in Kra­kau schon ein­mal teil­ge­nom­men hat­te. Mit einer Grup­pe jun­ger Katho­li­ken aus der Slo­wa­kei macht Rado sich die­sen Som­mer auf den Weg.

„Über­all, wo ich hin­kam, fühl­te ich mich als Teil der Weltkirche.

Rado­s­lav Hospodár

Inter­na­tio­na­le Begeg­nun­gen sind für Rado­s­lav all­täg­lich, in Por­tu­gal lang­jäh­ri­ge Freun­de aus sei­ner Hei­mat zu tref­fen, ist für ihn den­noch ein denk­wür­di­ges Ereig­nis. Eines von vielen. 

„Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade…“

Rado­s­lav (rechts) mit einem slo­wa­ki­schen Freund vor dem Mari­en­wall­fahrts­ort Fáti­ma (Foto: R. Hospodár)

Per­le für Per­le, mur­meln­de Jugend­li­che. Den Rosen­kranz zu beten fühlt sich anders an, hier, vor der Sta­tue der Mut­ter­got­tes. In Fatimá soll die Got­tes­mut­ter im Jahr 1917 drei Kin­dern erschie­nen sein. Heu­te pil­gern Tau­sen­de hier­her. Der Besuch die­ser Wall­fahrt­stät­te hin­ter­lässt einen tie­fen Ein­druck bei Rado­s­lav, „Unbe­schreib­lich hei­lig“ sei die Atmo­sphä­re gewe­sen. Trotz des strö­men­den Regens. Fran­zis­ka emp­fin­det das­sel­be. Aller­dings einen Tag zuvor. Und wie­der haben sie sich verpasst.

Und natür­lich gibt es für Rado Anknüp­fungs­punk­te zu ver­gan­ge­nen und zukünf­ti­gen Rei­sen. Von fran­zö­si­schen Freun­den wird er zu einem Abend­ge­bet mit latei­ni­schen Mess­ge­sän­gen ein­ge­la­den. Im Pro­gramm der Fokolár-Bewe­gung, dem er sich zusätz­lich anschließt, trifft er den US-ame­ri­ka­ni­schen Bischof Robert Bar­ron. Sei­nem You­Tube-Kanal „Word on Fire“ folgt er schon seit Jah­ren. Gleich­ge­sinn­te tref­fen, die Viel­falt der katho­li­schen Kir­che spü­ren, loka­le Tra­di­tio­nen ken­nen­ler­nen, „Der Welt­ju­gend­tag bie­tet ein­fach alles.“ ist Rados begeis­ter­tes Resümee.

Ein Treffen in Südkorea?

Der nächs­te Welt­ju­gend­tag wird 2027 in Süd­ko­rea statt­fin­den. Wer­den sie wie­der teil­neh­men? Wäh­rend sei­nes Stu­di­en­auf­ent­hal­tes in Chi­na hat Rado­s­lav Freund­schaft mit Korea­nern geschlos­sen, die ihn in ihre Hei­mat ein­ge­la­den haben. Er kann sich vor­stel­len, ein Wie­der­se­hen mit ihnen mit dem Besuch des WJT zu verbinden.

Fran­zis­ka ist sich nicht sicher. Als Vege­ta­rie­rin berei­tet ihr das exo­ti­sche Essen ein wenig Sor­ge. In Süd­ko­rea wer­den sich Rado­s­lav und Fran­zis­ka wahr­schein­lich nicht tref­fen. Doch nicht nur die blau­en Pil­ger­fla­schen ver­bin­den sie, son­dern unver­gess­li­che Momen­te, tie­fer, geleb­ter Glau­be und – ihr Stipendium.