Stipendiatin Veronika Gschoßmann ist Bayerische Milchkönigin

Kühe als Hofstaat – ein Melkschemel als Thron

Veröffentlicht am 22. Januar 2024 von Jana Paulina Lobe

Eine Köni­gin im Kuh­stall anzu­tref­fen ist ein eher unge­wöhn­li­ches Sze­na­rio. Für die 24-jäh­ri­ge Vero­ni­ka Gschoß­mann aus Küh­bach (Lkr. Aich­ach-Fried­berg) aber ist der Stall wie eine zwei­te Hei­mat. Ihr Thron ist der Melk­sche­mel, das wert­volls­te Gut das wei­ße Gold, das aus den Eutern kommt: Die HSS-Sti­pen­dia­tin trägt den Titel Baye­ri­sche Milch­kö­ni­gin 2022/2023.

Vero­ni­ka ist Baye­ri­sche Milch­kö­ni­gin 2022/2023 (Foto: VMB)

Roya­le Allü­ren aber sind bei Vero­ni­ka Gschoß­mann mit­nich­ten zu befürch­ten. Wenn sie nicht eines ihrer maß­ge­schnei­der­ten Köni­gin­nen-Dirndl trägt, fin­det man sie irgend­wo auf dem elter­li­chen Milch­vieh­be­trieb, ent­we­der beim Trän­ken der Kälb­chen oder auf dem Traktor.

Zum Zeit­punkt unse­res Inter­views ist Vero­ni­ka schon ein­ein­halb Jah­re im Amt und kann somit eini­ges über ihre Tätig­keit als Regen­tin erzählen.

Der Weg auf den Thron

Für die baye­ri­schen Milch­ho­hei­ten, die zu der Grup­pe der soge­nann­ten Pro­dukt­kö­ni­gin­nen gehö­ren, gibt es kei­ne Erb­mon­ar­chie. Viel­mehr wird die Milch­kö­ni­gin seit 1985 für eine zwei­jäh­ri­ge Amts­pe­ri­ode gewählt, neu­er­dings mit demo­kra­ti­schen Ele­men­ten. Eine Jury des Ver­bands der Milch­er­zeu­ger Bay­ern (VMB) ent­schei­det zwar letz­ten Endes über die Titel­ver­ga­be. Davor aber gibt es ein Online-Voting, an dem sich jeder betei­li­gen kann.

Um sich zur Wahl stel­len zu kön­nen, soll­te eine Ver­bin­dung zur Milch­er­zeu­gung gege­ben sein, fami­li­är oder beruf­lich. Vero­ni­ka hat das Inter­es­se der Milch mit der Mut­ter­milch auf­ge­so­gen. Sie wuchs auf einem Milch­vieh­be­trieb mit 100 Fleck­vieh­kü­hen auf, um die sie sich seit ihrer Kind­heit mit küm­mert. Als Mas­ter-Stu­den­tin der Agrar­wis­sen­schaf­ten ist sie auch aka­de­misch mit der Land­wirt­schaft befasst. Hat „Klein-Vro­ni“ also schon damals davon geträumt, ein­mal Milch­kö­ni­gin zu sein?

„Zu verlieren hatte ich ja eh nichts“

Tat­säch­lich erfolg­te der Ent­schluss zur Bewer­bung eher spon­tan und durch einen sanf­ten Schubs von außen. Als sie ein Pra­xis­se­mes­ter in der Bil­dungs­stel­le des baye­ri­schen Bau­ern­ver­ban­des absol­vier­te, fie­len Vero­ni­ka Pla­ka­te zur anste­hen­den Köni­gin­nen­wahl auf. Selbst wäre sie wohl nicht auf die Idee gekom­men, den Weg zur Thron­fol­ge­rin anzu­tre­ten. Ihre Mit­ar­bei­ter aber waren der Über­zeu­gung, sie sei genau die Rich­ti­ge für das Amt. Deren Über­re­dungs­küns­te führ­ten schließ­lich dazu, dass Vero­ni­ka kurz vor Bewer­bungs­schluss ein Video aufnahm…

Hier das Bewer­bungs­vi­deo von Vero­ni­ka auf dem You­tube-Kanal des Ver­bands für Baye­ri­sche Milcherzeuger:

YouTube

Mit dem Laden des Vide­os akzep­tie­ren Sie die Daten­schutz­er­klä­rung von You­Tube.
Mehr erfah­ren

Video laden

Im Mai 2022 wur­de Vero­ni­ka gemein­sam mit sie­ben Mit­strei­te­rin­nen zum Fina­le ins Bil­dungs­zen­trum Tri­es­dorf ein­ge­la­den. Wie kann man sich die­sen Aus­wahl­pro­zess nun vor­stel­len? Es besteht ein wenig Ähn­lich­keit mit einer Miss­wahl: Auch hier wol­len sich strah­len­de jun­ge Frau­en vor einer Jury von ihrer Scho­ko­la­den­sei­te zei­gen; es gibt ein Foto­shoo­ting, einen Video­dreh und ein schi­ckes Abend­essen. Statt pail­let­ten­g­lit­zern­den Abend­klei­dern aber sieht man rus­ti­ka­le Dirndl und neben ein­neh­men­dem Charme wird hand­fes­tes Fach­wis­sen rund um Milch­er­zeug­nis­se und ‑ver­ar­bei­tung von den Kan­di­da­tin­nen erwartet.

„Als die Jury im Fina­le mei­nen Namen gesagt hat, konn­te ich es erst­mal gar nicht glauben.“

Vero­ni­ka Gschoß­mann über den Moment der Verkündigung

„And the win­ner is“ – ein Fan­fa­ren­si­gnal. Vero­ni­kas Name fällt. Sie schlägt die Hand vor den Mund. Ihr ungläu­bi­ges Gesicht und der fei­er­li­che Krö­nungs­akt sind auf Video gebannt. „Einen mega Respekt“ vor den nächs­ten zwei Jah­ren hat­te sie, erin­nert sie sich. Zum Glück muss sie die Fül­le an Auf­ga­ben, die auf sie zukom­men, nicht allei­ne schul­tern. Unter­stützt wird sie dabei von der Milch­prin­zes­sin Phi­lo­me­na Möge­le. Zwi­schen den bei­den gibt es nicht wirk­lich eine roya­le Hier­ar­chie, viel­mehr tei­len sie sich die zahl­rei­chen Ter­mi­ne unter­ein­an­der auf.

Die Krone im Auto

Zu einer Köni­gin gehört selbst­re­dend eine Kro­ne. Mit weiß-blau­en Stei­nen besetzt ist das gute Stück. Zwar ist sie nicht all­zu schwer. Nach einem lan­gen Amts­tag, nach Dau­er­lä­cheln und Hän­de­schüt­teln ist Vero­ni­ka den­noch froh, sie wie­der im Kof­fer zu ver­stau­en. Den bewahrt sie im Dienst­wa­gen auf, der ihr eben­falls vom VMB zur Ver­fü­gung gestellt wur­de. „Baye­ri­sche Milch­kö­ni­gin im Ein­satz“ liest man an der Sei­te ihrer ‚Kut­sche‘. Und im Ein­satz ist Vero­ni­ka oft – zu ein bis zwei Ter­mi­nen pro Woche muss sie anrei­sen und das nicht nur im Frei­staat. „Bava­ria goes Bolo­gna“ hieß es gleich zu Beginn ihrer Amts­zeit. In der Emi­lia Roma­gna reprä­sen­tier­te sie die baye­ri­schen Milch­pro­duk­te vor ita­lie­ni­schen Einkäufern.

Vero­ni­ka und ihre Kol­le­gin Milch­prin­zes­sin Phi­lo­me­na Möge­le bei der Über­ga­be ihrer Dienst­wä­gen (Foto: privat)

Spä­ter folg­ten Publi­kums­ver­an­stal­tun­gen wie die Con­su­men­ta in Nürn­berg, die Grü­ne Woche in Ber­lin, dazu zahl­rei­che Regio­nal­mes­sen. Bei den Käse­meis­ter­schaf­ten muss­te (durf­te?) sich durch ver­schie­dens­te Geschmacks­pro­ben tes­ten. Wie gut, dass Käse in allen Vari­an­ten ihr liebs­tes Milch­pro­dukt ist! Indem die Milch­kö­ni­gin dem Milch­land Bay­ern ihr hüb­sches Gesicht leiht, prägt sie die Außen­wahr­neh­mung der baye­ri­schen Milch­wirt­schaft in der Gesell­schaft. Vero­ni­ka möch­te aller­dings mehr sein als wan­deln­des Wer­be­pla­kat. Ihr Anlie­gen als Milch­bot­schaf­te­rin ist es, mit Ver­brau­chern ins Gespräch kom­men, die Hin­ter­grün­de der Land- und Milch­wirt­schaft beleuch­ten, deren gesell­schaft­li­che Rol­le zuwei­len auch zu diskutieren.

#Milchfluencerin – Die Königin auf Social Media

Für Auf­klä­rung und eine grö­ße­re Reich­wei­te nutzt Vero­ni­ka ins­be­son­de­re die Social-Media-Kanä­le. Hier möch­te sie auch für ihre Gene­ra­ti­on mit Vor­ur­tei­len auf­räu­men. Dass Rin­der Kli­ma­kil­ler sei­en zum Bei­spiel. Auf ihrem offi­zi­el­len Insta­gram-Account hat sie über 5000 Fol­lower. Scrollt man sich durch ihren Feed, sieht man einen bun­ten Mix an Con­tent: Rezept­tipps und Pro­dukt­rat­schlä­ge, Behind-the-Sce­nes-Ein­bli­cke zu Events, Fak­ten­check-Reels. Und immer wie­der … Bil­der mit baye­ri­schen Poli­ti­kern wie der Agrar­mi­nis­te­rin Michae­la Kani­ber oder Minis­ter­prä­si­dent Dr. Mar­kus Söder.

Wie fühlt es sich an, die­sen Per­sön­lich­kei­ten die Hand zu schüt­teln, die man vor­mals nur aus dem Fern­se­hen und der Zei­tung kannte? 

„Ich kann mich noch erin­nern, die ers­ten paar Male, als ich sie getrof­fen habe, habe ich gedacht ‚hui krass‘. Wenn man sie aber dann öfter trifft, stellt man fest: Es sind im End­ef­fekt auch nur Menschen.“

Was sie beson­ders schätzt, ist ihre Nähe zum poli­ti­schen Gesche­hen, beson­ders auch auf bran­chen­in­ter­nen Ver­an­stal­tun­gen. Hier ein Gruß­wort auf Milch­er­zeu­ger-Ver­samm­lun­gen, da die offi­zi­el­le Ver­ab­schie­dung von Aus­zu­bil­den­den in der Milch­wirt­schaft, dann eine Lau­da­tio bei den Käse­meis­ter­schaf­ten. Oft muss­te sie dafür ins kal­te Was­ser und über ihren eige­nen Schat­ten sprin­gen, gibt Vero­ni­ka zu. Mitt­ler­wei­le aber gehen ihr öffent­li­che Auf­trit­te leicht von der Hand. Wenn sie im Mai ihre Kro­ne abge­ben muss, wird Vero­ni­ka beson­ders die inter­es­san­ten Men­schen ver­mis­sen, die sie tref­fen konn­te – bei Besu­chen von Mol­ke­rei­en, bei Betriebs­füh­run­gen mit Milch­tech­no­lo­gen, bei Jungtierzüchterschauen.

Milch­kö­ni­gin­nen-Amt, Stu­di­um, Werk­stu­den­ten­job, Ehren­amt in meh­re­ren Ver­ei­nen, Mit­hil­fe auf dem hei­mi­schen Hof und Hob­bies –Vero­ni­ka muss vie­les unter den Hut, bzw. die Kro­ne brin­gen. Doch sie schafft es mit könig­li­cher Sou­ve­rä­ni­tät: „Was ich in mei­ner Amts­zeit gelernt habe: Wenn es gehen muss, dann geht’s meis­tens auch irgendwie.“

Mun­ter ist sie dabei stets. Liegt es an der Milch?