Stipendiatin Veronika Gschoßmann ist Bayerische Milchkönigin
Kühe als Hofstaat – ein Melkschemel als Thron
Eine Königin im Kuhstall anzutreffen ist ein eher ungewöhnliches Szenario. Für die 24-jährige Veronika Gschoßmann aus Kühbach (Lkr. Aichach-Friedberg) aber ist der Stall wie eine zweite Heimat. Ihr Thron ist der Melkschemel, das wertvollste Gut das weiße Gold, das aus den Eutern kommt: Die HSS-Stipendiatin trägt den Titel Bayerische Milchkönigin 2022/2023.
Royale Allüren aber sind bei Veronika Gschoßmann mitnichten zu befürchten. Wenn sie nicht eines ihrer maßgeschneiderten Königinnen-Dirndl trägt, findet man sie irgendwo auf dem elterlichen Milchviehbetrieb, entweder beim Tränken der Kälbchen oder auf dem Traktor.
Zum Zeitpunkt unseres Interviews ist Veronika schon eineinhalb Jahre im Amt und kann somit einiges über ihre Tätigkeit als Regentin erzählen.
Der Weg auf den Thron
Für die bayerischen Milchhoheiten, die zu der Gruppe der sogenannten Produktköniginnen gehören, gibt es keine Erbmonarchie. Vielmehr wird die Milchkönigin seit 1985 für eine zweijährige Amtsperiode gewählt, neuerdings mit demokratischen Elementen. Eine Jury des Verbands der Milcherzeuger Bayern (VMB) entscheidet zwar letzten Endes über die Titelvergabe. Davor aber gibt es ein Online-Voting, an dem sich jeder beteiligen kann.
Um sich zur Wahl stellen zu können, sollte eine Verbindung zur Milcherzeugung gegeben sein, familiär oder beruflich. Veronika hat das Interesse der Milch mit der Muttermilch aufgesogen. Sie wuchs auf einem Milchviehbetrieb mit 100 Fleckviehkühen auf, um die sie sich seit ihrer Kindheit mit kümmert. Als Master-Studentin der Agrarwissenschaften ist sie auch akademisch mit der Landwirtschaft befasst. Hat „Klein-Vroni“ also schon damals davon geträumt, einmal Milchkönigin zu sein?
„Zu verlieren hatte ich ja eh nichts“
Tatsächlich erfolgte der Entschluss zur Bewerbung eher spontan und durch einen sanften Schubs von außen. Als sie ein Praxissemester in der Bildungsstelle des bayerischen Bauernverbandes absolvierte, fielen Veronika Plakate zur anstehenden Königinnenwahl auf. Selbst wäre sie wohl nicht auf die Idee gekommen, den Weg zur Thronfolgerin anzutreten. Ihre Mitarbeiter aber waren der Überzeugung, sie sei genau die Richtige für das Amt. Deren Überredungskünste führten schließlich dazu, dass Veronika kurz vor Bewerbungsschluss ein Video aufnahm…
Hier das Bewerbungsvideo von Veronika auf dem Youtube-Kanal des Verbands für Bayerische Milcherzeuger:
Im Mai 2022 wurde Veronika gemeinsam mit sieben Mitstreiterinnen zum Finale ins Bildungszentrum Triesdorf eingeladen. Wie kann man sich diesen Auswahlprozess nun vorstellen? Es besteht ein wenig Ähnlichkeit mit einer Misswahl: Auch hier wollen sich strahlende junge Frauen vor einer Jury von ihrer Schokoladenseite zeigen; es gibt ein Fotoshooting, einen Videodreh und ein schickes Abendessen. Statt paillettenglitzernden Abendkleidern aber sieht man rustikale Dirndl und neben einnehmendem Charme wird handfestes Fachwissen rund um Milcherzeugnisse und ‑verarbeitung von den Kandidatinnen erwartet.
„Als die Jury im Finale meinen Namen gesagt hat, konnte ich es erstmal gar nicht glauben.“
Veronika Gschoßmann über den Moment der Verkündigung
„And the winner is“ – ein Fanfarensignal. Veronikas Name fällt. Sie schlägt die Hand vor den Mund. Ihr ungläubiges Gesicht und der feierliche Krönungsakt sind auf Video gebannt. „Einen mega Respekt“ vor den nächsten zwei Jahren hatte sie, erinnert sie sich. Zum Glück muss sie die Fülle an Aufgaben, die auf sie zukommen, nicht alleine schultern. Unterstützt wird sie dabei von der Milchprinzessin Philomena Mögele. Zwischen den beiden gibt es nicht wirklich eine royale Hierarchie, vielmehr teilen sie sich die zahlreichen Termine untereinander auf.
Die Krone im Auto
Zu einer Königin gehört selbstredend eine Krone. Mit weiß-blauen Steinen besetzt ist das gute Stück. Zwar ist sie nicht allzu schwer. Nach einem langen Amtstag, nach Dauerlächeln und Händeschütteln ist Veronika dennoch froh, sie wieder im Koffer zu verstauen. Den bewahrt sie im Dienstwagen auf, der ihr ebenfalls vom VMB zur Verfügung gestellt wurde. „Bayerische Milchkönigin im Einsatz“ liest man an der Seite ihrer ‚Kutsche‘. Und im Einsatz ist Veronika oft – zu ein bis zwei Terminen pro Woche muss sie anreisen und das nicht nur im Freistaat. „Bavaria goes Bologna“ hieß es gleich zu Beginn ihrer Amtszeit. In der Emilia Romagna repräsentierte sie die bayerischen Milchprodukte vor italienischen Einkäufern.
Später folgten Publikumsveranstaltungen wie die Consumenta in Nürnberg, die Grüne Woche in Berlin, dazu zahlreiche Regionalmessen. Bei den Käsemeisterschaften musste (durfte?) sich durch verschiedenste Geschmacksproben testen. Wie gut, dass Käse in allen Varianten ihr liebstes Milchprodukt ist! Indem die Milchkönigin dem Milchland Bayern ihr hübsches Gesicht leiht, prägt sie die Außenwahrnehmung der bayerischen Milchwirtschaft in der Gesellschaft. Veronika möchte allerdings mehr sein als wandelndes Werbeplakat. Ihr Anliegen als Milchbotschafterin ist es, mit Verbrauchern ins Gespräch kommen, die Hintergründe der Land- und Milchwirtschaft beleuchten, deren gesellschaftliche Rolle zuweilen auch zu diskutieren.
#Milchfluencerin – Die Königin auf Social Media
Für Aufklärung und eine größere Reichweite nutzt Veronika insbesondere die Social-Media-Kanäle. Hier möchte sie auch für ihre Generation mit Vorurteilen aufräumen. Dass Rinder Klimakiller seien zum Beispiel. Auf ihrem offiziellen Instagram-Account hat sie über 5000 Follower. Scrollt man sich durch ihren Feed, sieht man einen bunten Mix an Content: Rezepttipps und Produktratschläge, Behind-the-Scenes-Einblicke zu Events, Faktencheck-Reels. Und immer wieder … Bilder mit bayerischen Politikern wie der Agrarministerin Michaela Kaniber oder Ministerpräsident Dr. Markus Söder.
Wie fühlt es sich an, diesen Persönlichkeiten die Hand zu schütteln, die man vormals nur aus dem Fernsehen und der Zeitung kannte?
„Ich kann mich noch erinnern, die ersten paar Male, als ich sie getroffen habe, habe ich gedacht ‚hui krass‘. Wenn man sie aber dann öfter trifft, stellt man fest: Es sind im Endeffekt auch nur Menschen.“
Was sie besonders schätzt, ist ihre Nähe zum politischen Geschehen, besonders auch auf brancheninternen Veranstaltungen. Hier ein Grußwort auf Milcherzeuger-Versammlungen, da die offizielle Verabschiedung von Auszubildenden in der Milchwirtschaft, dann eine Laudatio bei den Käsemeisterschaften. Oft musste sie dafür ins kalte Wasser und über ihren eigenen Schatten springen, gibt Veronika zu. Mittlerweile aber gehen ihr öffentliche Auftritte leicht von der Hand. Wenn sie im Mai ihre Krone abgeben muss, wird Veronika besonders die interessanten Menschen vermissen, die sie treffen konnte – bei Besuchen von Molkereien, bei Betriebsführungen mit Milchtechnologen, bei Jungtierzüchterschauen.
Milchköniginnen-Amt, Studium, Werkstudentenjob, Ehrenamt in mehreren Vereinen, Mithilfe auf dem heimischen Hof und Hobbies –Veronika muss vieles unter den Hut, bzw. die Krone bringen. Doch sie schafft es mit königlicher Souveränität: „Was ich in meiner Amtszeit gelernt habe: Wenn es gehen muss, dann geht’s meistens auch irgendwie.“
Munter ist sie dabei stets. Liegt es an der Milch?