Was haben Klimawandel und Controlling miteinander zu tun?
Kalte Rechnung für heiße Tage
Kein Zweifel: Der CO2-Ausstoß muss weltweit reduziert werden. Nicht nur, weil fossile Rohstoffe irgendwann doch endlich sein werden, sondern weil sonst all die schönen Klimaschutzziele diverser Abkommen niemals erreicht werden. Doch welche Auswirkungen haben solche Anstrengungen, vor allem politisch beschlossene Regeln, also Steuern und Abgaben oder gar Verbote? Der Lehrstuhl für Controlling der TU München mit Prof. Dr. Gunther Friedl an der Spitze befasst sich auch mit der Analyse solcher regulatorischer Maßnahmen.
Vor nicht allzu langer Zeit stand mehr oder weniger das Wohl der Aktionäre voll und ganz im Fokus eines Unternehmens. Heute sind die Ziele von Unternehmen viel breiter geworden, holt Gunther Friedl aus, um den Zusammenhang von Controlling und Klimawandel zu erklären. Gesellschaftliche Verantwortung, Klimaschutz und soziale Aspekte werden immer öfter in Unternehmenszielen verankert. Im englischsprachig geprägten Finanzsektor wird dafür „ESG“ als Kürzel verwendet: Environment, Social und Governance. ESG ist hip. ESG ist aber mehr als nur umwelttechnische Nachhaltigkeit. Und ESG hat weitreichende Auswirkungen.
Nicht nur Anleger interessieren sich für Investments und Fonds, die immer mehr nach ESG-Kriterien ausgerichtet sind. Auch Banken haben da ein Auge drauf. „Welche Risiken ergeben sich aus diesen Kriterien, wenn es um eine Kreditvergabe geht“, formuliert Prof. Gunther Friedl ganz allgemein die Frage, mit der sich Unternehmen und sein Lehrstuhl beschäftigen. „Die Ausfallwahrscheinlichkeiten steigen um ein Vielfaches an, wenn der CO2-Preis auf 100 Euro pro Tonne CO2 steigt“, ist in vielen Fällen das Ergebnis einer genauen Betrachtung. Banken werden da sehr hellhörig.
Klimawandel und politische Maßnahmen stellen Risiken dar, die sich in der Kreditwürdigkeit niederschlagen. Für Unternehmen bedeutet diese Entwicklung, dass sie klimabezogene Risiken stärker in den Blick nehmen sollten und zeigen müssen, dass sie diese im Griff haben. Momentan fließt das Geld von Investoren und Banken zunehmend in grüne Sektoren oder Unternehmen, die den CO2-Preis an Kunden weiter geben können. Derzeit beträgt die CO2-Steuer in Deutschland bei Kraftstoffen 25 Euro pro Tonne CO2, in den kommenden Jahren ansteigend. Innerhalb der EU gibt es noch keine einheitliche Besteuerung.
„Insgesamt beobachten wir, dass es die großen Unternehmen verstanden haben“, so Friedl weiter. Die Klimaneutralität habe in vielen Unternehmen den Eingang in die Ziele gefunden, auch wenn konkrete Maßnahmen oftmals noch definiert werden müssten. „Aber viele kleine Unternehmen werden künftig große Finanzierungsrisiken haben“, warnt Friedl.
In der Rangliste der Unternehmen, die besonders betroffen sind, steht die Reisebranche ganz oben. „Wie stark kann man die CO2-Bepreisung weitergeben“, ist deren zentrale Fragestellung. Schon heute könne man einen Flug durch den Zukauf von Zertifikaten CO2-frei stellen. Doch nicht einmal annähernd ein Prozent der Kunden würde das tun. Bei einer CO2-Abgabe von 100 Euro pro Tonne würden die Flugtickets so teuer, das sich das Verhalten der Konsumenten zwangsläufig ändern werde, ist sich Friedl sicher. Was politisch vielleicht so gewollt ist, wird jedoch das wirtschaftliche Fundament so manchen Unternehmens einreißen.
Ob CO2-Bepreisung, Wasserstoff-Wirtschaft oder die Effektivität von Erneuerbaren Energien – für Gunther Friedl sind das nicht nur trockene Zahlen im Rahmen von Controlling-Aufgaben. Der heutige Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften hatte zuerst Physik studiert (und mit dem Diplom abgeschlossen), ehe er sich der Betriebswirtschaft zuwandte. Dabei wurde er von der Hanns-Seidel-Stiftung mit einem Stipendium gefördert. Friedls weitere Stationen waren nach Promotion und Habilitation an der LMU München Stanford und Mainz, ehe er 2007 auf den Lehrstuhl für Controlling der TU München berufen wurde. Seit 2010 ist er Dekan der TUM School of Management, seit 2012 auch Direktor des Center for Energy Markets, TUM. Seit über 15 Jahren ist er auch Vertrauensdozent der Hanns-Seidel-Stiftung und weiterer Förderprogramme.
Prof. Dr. Gunther Friedl untersucht am Lehrstuhl für Controlling der TU München auch die Auswirkungen des Klimawandels auf die Kreditwürdigkeit von Unternehmen.
Prof. Dr. Gunther Friedl war zu Studienzeiten selbst Stipendiat der Hanns-Seidel-Stiftung. Heute ist er Vertrauensdozent für die HSS und weitere Stiftungen, Wir haben ihn zu seinen Erfahrungen und Empfehlungen befragt.