Foto: Melissa Bradley/Unsplash

Was haben Klimawandel und Controlling miteinander zu tun?

Kalte Rechnung für heiße Tage

Veröffentlicht am 2. Oktober 2021 von Volker Göbner

Kein Zwei­fel: Der CO2-Aus­stoß muss welt­weit redu­ziert wer­den. Nicht nur, weil fos­si­le Roh­stof­fe irgend­wann doch end­lich sein wer­den, son­dern weil sonst all die schö­nen Kli­ma­schutz­zie­le diver­ser Abkom­men nie­mals erreicht wer­den. Doch wel­che Aus­wir­kun­gen haben sol­che Anstren­gun­gen, vor allem poli­tisch beschlos­se­ne Regeln, also Steu­ern und Abga­ben oder gar Ver­bo­te? Der Lehr­stuhl für Con­trol­ling der TU Mün­chen mit Prof. Dr. Gun­ther Friedl an der Spit­ze befasst sich auch mit der Ana­ly­se sol­cher regu­la­to­ri­scher Maßnahmen.

Vor nicht all­zu lan­ger Zeit stand mehr oder weni­ger das Wohl der Aktio­nä­re voll und ganz im Fokus eines Unter­neh­mens. Heu­te sind die Zie­le von Unter­neh­men viel brei­ter gewor­den, holt Gun­ther Friedl aus, um den Zusam­men­hang von Con­trol­ling und Kli­ma­wan­del zu erklä­ren. Gesell­schaft­li­che Ver­ant­wor­tung, Kli­ma­schutz und sozia­le Aspek­te wer­den immer öfter in Unter­neh­mens­zie­len ver­an­kert. Im eng­lisch­spra­chig gepräg­ten Finanz­sek­tor wird dafür „ESG“ als Kür­zel ver­wen­det: Envi­ron­ment, Social und Gover­nan­ce. ESG ist hip. ESG ist aber mehr als nur umwelt­tech­ni­sche Nach­hal­tig­keit. Und ESG hat weit­rei­chen­de Auswirkungen.

Nicht nur Anle­ger inter­es­sie­ren sich für Invest­ments und Fonds, die immer mehr nach ESG-Kri­te­ri­en aus­ge­rich­tet sind. Auch Ban­ken haben da ein Auge drauf. „Wel­che Risi­ken erge­ben sich aus die­sen Kri­te­ri­en, wenn es um eine Kre­dit­ver­ga­be geht“, for­mu­liert Prof. Gun­ther Friedl ganz all­ge­mein die Fra­ge, mit der sich Unter­neh­men und sein Lehr­stuhl beschäf­ti­gen. „Die Aus­fall­wahr­schein­lich­kei­ten stei­gen um ein Viel­fa­ches an, wenn der CO2-Preis auf 100 Euro pro Ton­ne CO2 steigt“, ist in vie­len Fäl­len das Ergeb­nis einer genau­en Betrach­tung. Ban­ken wer­den da sehr hellhörig.

Kli­ma­wan­del und poli­ti­sche Maß­nah­men stel­len Risi­ken dar, die sich in der Kre­dit­wür­dig­keit nie­der­schla­gen. Für Unter­neh­men bedeu­tet die­se Ent­wick­lung, dass sie kli­ma­be­zo­ge­ne Risi­ken stär­ker in den Blick neh­men soll­ten und zei­gen müs­sen, dass sie die­se im Griff haben. Momen­tan fließt das Geld von Inves­to­ren und Ban­ken zuneh­mend in grü­ne Sek­to­ren oder Unter­neh­men, die den CO2-Preis an Kun­den wei­ter geben kön­nen. Der­zeit beträgt die CO2-Steu­er in Deutsch­land bei Kraft­stof­fen 25 Euro pro Ton­ne CO2, in den kom­men­den Jah­ren anstei­gend. Inner­halb der EU gibt es noch kei­ne ein­heit­li­che Besteuerung.

„Ins­ge­samt beob­ach­ten wir, dass es die gro­ßen Unter­neh­men ver­stan­den haben“, so Friedl wei­ter. Die Kli­ma­neu­tra­li­tät habe in vie­len Unter­neh­men den Ein­gang in die Zie­le gefun­den, auch wenn kon­kre­te Maß­nah­men oft­mals noch defi­niert wer­den müss­ten. „Aber vie­le klei­ne Unter­neh­men wer­den künf­tig gro­ße Finan­zie­rungs­ri­si­ken haben“, warnt Friedl.

In der Rang­lis­te der Unter­neh­men, die beson­ders betrof­fen sind, steht die Rei­se­bran­che ganz oben. „Wie stark kann man die CO2-Beprei­sung wei­ter­ge­ben“, ist deren zen­tra­le Fra­ge­stel­lung. Schon heu­te kön­ne man einen Flug durch den Zukauf von Zer­ti­fi­ka­ten CO2-frei stel­len. Doch nicht ein­mal annä­hernd ein Pro­zent der Kun­den wür­de das tun. Bei einer CO2-Abga­be von 100 Euro pro Ton­ne wür­den die Flug­ti­ckets so teu­er, das sich das Ver­hal­ten der Kon­su­men­ten zwangs­läu­fig ändern wer­de, ist sich Friedl sicher. Was poli­tisch viel­leicht so gewollt ist, wird jedoch das wirt­schaft­li­che Fun­da­ment so man­chen Unter­neh­mens einreißen.

Ob CO2-Beprei­sung, Was­ser­stoff-Wirt­schaft oder die Effek­ti­vi­tät von Erneu­er­ba­ren Ener­gien – für Gun­ther Friedl sind das nicht nur tro­cke­ne Zah­len im Rah­men von Con­trol­ling-Auf­ga­ben. Der heu­ti­ge Dekan der Fakul­tät für Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten hat­te zuerst Phy­sik stu­diert (und mit dem Diplom abge­schlos­sen), ehe er sich der Betriebs­wirt­schaft zuwand­te. Dabei wur­de er von der Hanns-Sei­del-Stif­tung mit einem Sti­pen­di­um geför­dert. Friedls wei­te­re Sta­tio­nen waren nach Pro­mo­ti­on und Habi­li­ta­ti­on an der LMU Mün­chen Stan­ford und Mainz, ehe er 2007 auf den Lehr­stuhl für Con­trol­ling der TU Mün­chen beru­fen wur­de. Seit 2010 ist er Dekan der TUM School of Manage­ment, seit 2012 auch Direk­tor des Cen­ter for Ener­gy Mar­kets, TUM. Seit über 15 Jah­ren ist er auch Ver­trau­ens­do­zent der Hanns-Sei­del-Stif­tung und wei­te­rer Förderprogramme.

Prof. Dr. Gun­ther Friedl unter­sucht am Lehr­stuhl für Con­trol­ling der TU Mün­chen auch die Aus­wir­kun­gen des Kli­ma­wan­dels auf die Kre­dit­wür­dig­keit von Unternehmen. 

Foto: Andre­as Hed­der­gott /TUM

Prof. Dr. Gun­ther Friedl war zu Stu­di­en­zei­ten selbst Sti­pen­di­at der Hanns-Sei­del-Stif­tung. Heu­te ist er Ver­trau­ens­do­zent für die HSS und wei­te­re Stif­tun­gen, Wir haben ihn zu sei­nen Erfah­run­gen und Emp­feh­lun­gen befragt.