Management & Economics: Benedikt Unger
L’innovatore – Der (Betriebs-)Kulturenvermittler
Benedikt Unger promoviert dort, wo andere Urlaub machen: Schon für sein Masterstudium Entrepreneurship und Innovation hat es ihn vom heimischen Allgäu ins südtirolerische Bozen verschlagen. Hier genießt er jedoch nicht nur „La Dolce Vita“, sondern nutzt vor allem die Synergieeffekte von idealen Lebensbedingungen und einem anregenden geistigen Umfeld. Synergie- und Innovationsprozesse stehen auch im Mittelpunkt von Benedikts Forschung: Er untersucht anhand von empirischen Daten, wie innovative Start-ups und etablierte Unternehmen gewinnbringend zusammenarbeiten können. Dabei gibt es jedoch einige (betriebs-)kulturelle Herausforderungen zu überwinden … Worin diese bestehen, wie seine Forschung dabei hilft, diese zu meistern und welche innovativen Ratschläge Benedikt für (angehende) Promovierende hat, erfahrt ihr in diesem Interview!
Stell dir vor, wir träfen uns auf Kloster Banz beim Mittagessen im Rahmen eines Seminars. Was würdest du über dich erzählen?
Das ist eine gute Frage. Wahrscheinlich würde ich erst einmal über das Seminar und seine Inhalte nachdenken und gemeinsam mit anderen diskutieren und einordnen. Ich liebe es, Neues zu lernen und dies mit meinen eigenen Erfahrungen und meinem Wissen abzugleichen. Ansonsten sind meine „Go-To“-Themen meine beiden Heimaten: das Allgäu und Südtirol bzw. Italien, wo ich studiert habe und nun auch promoviere. Zu diesen beiden Orten habe ich ein gewisses Repertoire an Anekdoten und Kuriositäten, die ich gerne zum Besten gebe.
Was ist dein akademischer Werdegang?
Meinen Bachelor habe ich an der Universität in Passau gemacht – eine tolle Stadt und eine ausgezeichnete Universität, besonders für Studienanfänger. Anschließend ging es weiter zum Master an die Freie Universität in Bozen. Auch diesen Studienort kann ich nur empfehlen: Man erlangt nicht nur fast garantiert fließende Italienischkenntnisse, sondern auch Freundschaften mit Leuten aus vielen der schönen Orte in Bella Italia. Zudem verbessern sich dabei definitiv die eigenen Kochkünste. Mein Studienverlauf war dabei nicht ganz geradlinig: In Passau habe ich erst Kommunikation studiert und mich dann über Wahlkurse in die BWL eingearbeitet. Das hat es mir ermöglicht, Entrepreneurship & Innovation in Bozen zu studieren.
Wie lange bist du schon in der Stiftung?
Ich bin seit Oktober 2022 in der Stiftung, also fast seit Beginn meiner Promotion. Ehrlich gesagt war mir während meines Bachelors und Masters nicht bewusst, dass ich bereits damals für ein Stipendium infrage gekommen wäre – sonst hätte ich mich vielleicht schon früher beworben.
Wann stand für dich fest, dass du promovieren möchtest? Wie fiel die Entscheidung für den Standort?
Ich habe schon als Kind mit dem Experimentierkasten gespielt und stundenlang etwa Ameisen im Garten beobachtet oder Lexika durchforstet, um die Welt besser verstehen zu können. Rückblickend könnte man also sagen, dass mir das Forschertum vom lieben Gott in die Wiege gelegt worden ist. Aber eine bewusste Entscheidung war das nicht und ich bin da eher so ein bisschen rein gestolpert, als ich mich nach dem Master für ein Jahr in einem Interreg Projekt zum Thema Social Entrepreneurship mitgearbeitet habe und mir dabei die Forschungsseite am meisten Spaß gemacht hat.
In Bozen zu bleiben, lag einfach daran, dass ich mich dort wohlfühle: Die Uni ist super, nicht zu groß und nicht zu klein, und der Weg ins heimische Allgäu ist auch nicht allzu weit. Und nicht ganz unbedeutend: das Wetter, die Landschaft und das Essen sind natürlich eine echte Wucht.
Seit wann promovierst du und welches Abgabedatum sieht dein Zeitplan vor?
Ich promoviere seit November 2020 – jedoch nicht durchgängig. Meine Dissertationsschrift ist eigentlich schon fast fertig, und ich sollte bis spätestens Juni 2025 abgeben. Vielleicht schaffe ich es sogar schon früher. Allerdings wird die Arbeit dann erst noch peer-reviewed und muss später öffentlich verteidigt werden. Ein bisschen was habe ich also noch vor mir.
In ganz groben Zügen umrissen: Du schreibst deine Dissertation über die Rolle von Startups in unternehmerischen Innovationsprozessen. Wie lautet dein genauer Titel und was beinhaltet dein Promotionsvorhaben?
Mein Promotionsvorhaben mit dem Titel ‚Organizing to Navigate the Complexities of Corporate-Startup Engagement‘ ist eine kumulative Arbeit, die aus mehreren einzelnen Studien besteht, von denen einige bereits publiziert wurden, beispielsweise im Journal of Business Venturing oder in Business Strategy and the Environment.
Allgemein untersuche ich in den einzelnen Artikeln, wie große etablierte Unternehmen und Startups erfolgreich zusammenarbeiten können, um voneinander in Innovationsprozessen zu profitieren. Ganz spezifisch fokussiere ich mich auf die verschiedenen organisatorischen Formate, die von etablierten Unternehmen entwickelt wurden, um solche Kooperationen zu ermöglichen bzw. zu vereinfachen.
Dabei geht es um Formate wie „Corporate Accelerators“, „Corporate Venture Capital Units“ oder „Venture Clienting“, die einigen fachlich bewanderten Leser vielleicht bereits ein Begriff sind.
Nennenswerte Beispiele mit bayerischem Bezug sind etwa die „BMW Startup Garage“ oder „Siemens Energy Ventures“. Wie der kürzliche Zusammenschluss mehrerer Unternehmen in meiner Allgäuer Heimat zum „GT hub“ zeigt, sind solche Formate zur Zusammenarbeit mit Startups durchaus auch für viele kleinere und mittlere Unternehmen in unserer Heimatregion relevant. Konkret schaue ich mir an, wie solche Formate gestaltet sind, um zu verstehen, wie sie grundsätzlich funktionieren und welche strategischen Rollen sie sowohl für etablierte Unternehmen als auch für die partizipierenden Startups spielen können.
Ich erforsche zudem, basierend auf empirischen Daten, welche Rahmenbedingungen beachtet werden müssen, um die angestrebte Wirkung für alle beteiligten Parteien zu erzielen. Ich glaube, es wird deutlich, dass ich neben den eher akademischen Fragestellungen auch großen Wert auf praktische Relevanz lege. Deshalb arbeite ich eng mit etablierten Unternehmen und Startups aus Deutschland und Europa sowie deren Mitarbeitern zusammen.
Wie berichtest du von deinem Dissertationsprojekt auf Partys und Familientreffen (= für Laien heruntergebrochen)?
Startups und etablierte Unternehmen sind zwei grundverschiedene, vielleicht sogar gegensätzliche Arten von Firmen. Startups sind jung, agil und innovativ, und sie funktionieren besonders gut in Umfeldern mit Markt- und Technologieunsicherheit. Etablierte Unternehmen hingegen sind oft alt, strukturiert und gelegentlich (zu) träge, wenn sich Märkte und Technologien verändern. Sie verfügen jedoch über wichtige Ressourcen und organisatorisches Know-how, das Startups häufig fehlt.
Es ergibt also Sinn, wenn diese beiden Arten von Unternehmen sich nicht nur als Konkurrenten sehen, sondern einander dort unterstützen, wo der jeweils anderen Seite etwas fehlt, um so Synergien zu schaffen. In der Praxis wird dies bereits häufig versucht, wie ich bei der vorangehenden Frage beschrieben habe.
Dennoch ist die Zusammenarbeit aufgrund verschiedener Faktoren nicht immer einfach und oft nicht von Erfolg gekrönt. Gründe dafür liegen beispielsweise in den gravierenden Unterschieden in den Unternehmenskulturen von etablierten Firmen und Startups oder in externen Faktoren wie dem allgemeinen Investitionsklima eines Landes.
An dieser Stelle kommt meine Forschung und Expertise ins Spiel: Ich untersuche mithilfe empirischer Daten, wie eine erfolgreiche Zusammenarbeit trotz dieser Herausforderungen gelingen kann. Dazu analysiere ich, wie sich erfolgreiche und weniger erfolgreiche Fälle voneinander unterscheiden. So haben wir beispielsweise herausgefunden, dass viele Regionen weltweit – entgegen der landläufigen Meinung ‑nur bedingt von Vorbildern aus dem Silicon Valley lernen können. Die Investitionsbereitschaft dort, und in den USA allgemein, ist kaum mit anderen Weltregionen vergleichbar.
Demnach müssen die von mir untersuchten Unterstützungsformate für Startups in Regionen mit weniger günstigen Investitionsklimata anders gestaltet und gemanagt werden, um erfolgreich zu sein. Solche Erkenntnisse haben natürlich große Implikationen für verschiedene Interessengruppen, sei es für etablierte Unternehmen, die öffentliche Hand, die oft Startups finanziert, professionelle Investoren oder die Startups selbst.
Wie bist du auf dein Dissertationsthema gekommen?
Ich habe mich schon in meiner Masterarbeit mit dem Thema beschäftigt, denn ich habe damals einen Corporate Accelerator beschrieben. Das ist ein Programm, in dem Startup und Corporate Firmen für einige Zeit zusammenarbeiten, um Innovationsprozesse gemeinsam zu beschleunigen. Damals war dieses Konzept noch super neu und ich fand es faszinierend aufgrund seiner Eingängigkeit.
Aber während der Arbeit an der Masterarbeit habe ich auch gesehen, wie schwer die Umsetzung sein kann, insbesondere aufgrund der eben beschriebenen kulturellen Unterschiede . Die Frage, wie man solche überwinden kann, hat mein Interesse an dem Thema weiter befeuert und mich schließlich zum Promotionsthema gebracht.
Was fasziniert dich besonders an deiner Forschung?
Einerseits ist das Thema theoretisch und methodologisch sehr interessant – aber ich erspare euch hier erstmal den Nerd-Talk. Viel wichtiger ist, dass das Thema meiner Meinung nach auch einen riesigen wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Einfluss hat. Die Welt dreht sich immer schneller und unsere Weltmärkte und Technologien verändern sich ständig. Wir als „Good Old Europe“ können im Gegensatz zu anderen Teilen der Welt aber nicht einfach neue Industrien aus dem Wüstenboden stampfen, um diesen Veränderungen gerecht zu werden.
Wir haben bereits eine etablierte Industrie, auf die wir aufbauen können, aber auch müssen, um ohne größere Turbulenzen in einer globalisierten Welt konkurrenzfähig zu bleiben. Allerdings bringt eine Erneuerung von innen heraus auch ganz eigene Schwierigkeiten mit sich. Im Rahmen dieser riesigen Fragestellungen kann meine Forschung hoffentlich zumindest einen bescheidenen Beitrag leisten.
Wie hat sich dein Thema seit der Festlegung entwickelt, zu welchen Teilen stimmt es noch mit deiner Ausgangsidee überein, was hat sich verändert?
Mein Thema hat sich auf der Phänomenseite im Wesentlichen nicht verändert, allerdings haben sich durch die empirischen Erkenntnisse und die Praxis der Forschung einige Schwerpunkte verschoben.
Insbesondere auf der Theorie- und Methodenseite lernt man immens viel im Doktorat. Da ist es nur natürlich, dass sich die Forschung leicht verändert bzw. konkretisiert. Auch den Titel habe ich aktualisiert, um ihn ein bisschen mehr „catchy“ zu machen.
Woran arbeitest du im Moment?
Aktuell arbeite ich daran, meine Dissertation abzuschließen und weitere Working Papers zu verfassen, die auf meiner bisherigen Forschungsthematik aufbauen. Damit möchte ich nicht nur weitere Aspekte von Corporate-Startup-Engagements beleuchten und dabei auf meine Dissertationsergebnisse aufbauen. Ziel ist es auch mich für eine Anschlussbeschäftigung zu empfehlen.
Welche Hürden und Schwierigkeiten gibt/gab es für dich im Forschungs- oder Schreibprozess?
Zunächst ist eine der größten Hürden, überhaupt eine interessante Forschungsfrage bzw. eine Lücke in der bestehenden Literatur zu identifizieren. Dabei unterscheidet sich eine Wissenslücke in der Forschung und deren Formulierung mitunter grundlegend von interessanten Alltagsfragestellungen. Ein Großteil der ersten PhD-Jahre besteht dann tatsächlich darin, eine solche präzise Forschungslücke zu finden und zu verstehen. Hat man diese Lücke erst einmal gefunden und stichhaltig formuliert, wird vieles einfacher: Forschung wird zunehmend zu einem Handwerk mit bestimmten Regeln und Best Practices. Ein wichtiger Teil dabei ist der Austausch mit anderen Forschern.
Ich kann allen angehenden Forschern nur empfehlen, so viel wie möglich zu netzwerken und auch frühere und noch unausgereifte Versionen der Forschungsvorhaben vorzustellen. Dass das alles noch nicht perfekt ist, ist klar, aber nur mit diesem Feedback kommt ihr wirklich voran.
Eine weitere Herausforderung ist das akademische Schreiben, das sich sehr vom sonstigen Schreiben unterscheidet. Ich habe immer gerne geschrieben und war dabei sehr kreativ, doch wissenschaftliche Texte verlangen einen völlig anderen Stil. Man muss klar und eindeutig argumentieren und den Stand der Wissenschaft sowie zitierte Quellen akkurat darstellen. Außerdem folgen wissenschaftliche Texte oft einem spezifischen Muster, das man erstmal kennenlernen und verstehen muss. Hinzu kommt, dass meine gesamte Forschung auf Englisch erfolgt, was die Aufgabe zusätzlich erschwert.
Was motiviert dich, bei „Durststrecken“ bei der Stange zu bleiben und weiterzumachen?
Manchmal muss ich mich ehrlicherweise eher bremsen, da ich beispielsweise dazu tendiere, einen neuen Datensatz auf einmal und an einem Tag analysieren zu wollen. Als Forscher hat man oft keine geregelten Arbeitszeiten. Das bedeutet einerseits Freiheit birgt aber auch die Gefahr, zu viel zu arbeiten. Ich habe eher das Problem, mich selbst zurückzuhalten, und arbeite oft mehr, als mir langfristig guttut. Das merke ich nun zum Ende meiner Dissertation. Generell habe ich zudem festgestellt, dass ich lieber im Team als alleine arbeite. Gemeinschaftliche Erfolge sind einfach viel schöner und motivierend!
Was tust du als Ausgleich zum wissenschaftlichen Schreiben und Arbeiten?
In meiner Freizeit mache ich viel Sport, wie Laufen, Wandern oder Radfahren. Außerdem telefoniere ich gerne mit Familie und Freunden oder treffe mich noch viel lieber mit ihnen auf einen Aperitiv. Ich schraube auch gerne an meiner Vespa oder meinem alten VW-Transporter herum, oder spiele manchmal einfach stumpf eine Runde FIFA. Mir tut ein wenig leid, dass ich mittlerweile kaum noch privat lese, da ich schon bei der Arbeit so viel lesen muss. Dafür höre ich viele Podcasts, was für mich ein guter Ausgleich ist.
Hast du schon Ideen, wie es nach Abschluss der Promotion für dich weitergehen soll?
Ideen habe ich viele, aber noch keine komplett konkreten Pläne. Ich unterrichte bereits und halte Workshops zum Thema ‚Unternehmensgründung.‘ Gerne würde ich zudem das Thema der Kollaboration zwischen etablierten Unternehmen und Startups, speziell Corporate Venture Capital, weiter voranbringen. Spannende Fragestellungen gibt es genug: Corporate Scaleups, Green Innovation oder wie man die Unternehmenskultur so anpassen kann, dass sie passend und einladend für Startup-Innovationen ist. Außerdem möchte ich gerne weiterhin analytisch arbeiten und ein Stück weit die Brücke zwischen Forschung und Praxis schlagen. Ob dies dann allerdings in einer öffentlichen, industriellen, einer akademischen Position oder einer Mischung mündet, weiß ich noch nicht und da bin ich offen. Wenn ein (Alt-)Stipendiat oder andere Leser dazu dankenswerterweise eine Empfehlung haben, dann wäre hier ein guter Moment, sich zu melden.
Wir wünschen dir, dass du weiterhin Brücken zwischen Nationen, Unternehmenskulturen, Forschung und Freizeit schlagen kannst, Benedikt!