HPN im Interview
„Das erfüllt mich lebenslang mit Dankbarkeit und Glückseligkeit“
Über Jahrzehnte hinweg war er das Gesicht des Begabtenförderinstituts der Hanns-Seidel-Stiftung: Prof. Hans-Peter Niedermeier, vielen auch bekannt als HPN. Im Interview mit Banziana Online blickt Niedermeier zurück auf seine Anfänge bei der Stiftung, erklärt, welche Bedeutung für ihn Kulturförderung hat und verrät, wie er der Stiftung in Zukunft erhalten bleiben möchte.
Hans-Peter, Anfang der 80er Jahre begann deine Laufbahn bei der Hanns-Seidel-Stiftung. Was waren damals deine Aufgaben bei der Stiftung?
Ich fing damals in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung an. Ich konnte die Stiftungsleitung davon überzeugen, mir zusätzlich noch Arbeitsschwerpunkte in den Bereichen Jugendpresse und Förderung von Nachwuchsjournalisten zu genehmigen. Als kurz nach meinem Amtsantritt auch die Studienförderung und die Promotionsförderung gestartet wurde, unterstützte ich die Aufbauarbeit in diesem Tätigkeitsfeld. Zusammen mit Dr. Otto Wiesheu, dem späteren bayerischen Wirtschaftsminister, habe ich ein soziales Hilfsprojekt unter dem Namen „HELP – Deutsche helfen Afghanistan“ organisiert.
Im Jahre 1991 wurdest du Leiters des Instituts für Begabtenförderung. Welche Bedeutung hat Bildung und Wissenschaft für unseren Staat und unsere Gesellschaft?
Ein Land wie die Bundesrepublik, das nur wenige Rohstoffe besitzt, ist mehr als andere Staaten auf Können, Kreativität und Begabung seiner Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Sie sind eigentlich der größte Reichtum unseres Landes.Wir müssen auf Bildung, Forschung und Technologie setzen. Dazu sind möglichst gute Entwicklungsbedingungen notwendig. Nur so können in angemessener Weise möglichst viele wissenschaftliche Kenntnisse an die nächsten Generationen weitergegeben werden.
Du giltst als einer der größten Verfechter einer möglichst engen Zusammenarbeit der 13 Begabtenförderwerke in Deutschland. Warum war dir das so wichtig?
Trotz ihrer weltanschaulichen Unterschiede fühlen sich alle Werke den Werten eines freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaats sowie dem Gemeinwohl verpflichtet. Wir sind gemeinsam am gesellschaftlichen Ganzen orientiert, und zwar stets auch im Lichte der internationalen Verantwortung gesehen, etwa im Einsatz für Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, Demokratie, Natur- und Klimaschutz etc. Ein kollegiales und vertrauensvolles Zusammenwirken der Begabtenförderwerke ist eine wesentliche Voraussetzung für eine bestmögliche Interessenvertretung der uns gemeinsam anvertrauten jungen wissenschaftlichen Talente.
Die HSS und besonders auch du sind seit mehreren Jahrzehnten nicht nur in der Begabten‑, sondern auch in der Kulturförderung tätig. Wieso?
Eine großartige Erweiterung unserer politischen Arbeit! Neben dem umfangreichen Bildungsauftrag, den die HSS im In- und Ausland durchführt, sind uns auch die Kulturpflege und die Begabtenförderung wichtige Anliegen. Jede Abteilung der Stiftung ist deshalb auch im Kulturbereich tätig. Mein Institut und ich sind seit dem Start der Liedermacher-Open-Airs auf der Klosterwiese von Banz im Jahre 1987 Mitveranstalter der „Songs an einem Sommerabend“ und später der „Lieder auf Banz“.
Warum fördert eine politische Stiftung insbesondere junge Liedermacherinnen und Liedermacher?
Wir wollen damit einige eingefahrene Gleise des Kulturbetriebs aufbrechen und jungen Talenten einen Weg zur Karriere im Kulturbereich ebnen. Zur Kulturpflege und zur Begabtenförderung gehört meines Erachtens auch die Unterstützung junger Liedermacherinnen und Liedermacher in ihrem Bestreben, sich jenseits des „Hauptstroms“ moderner Schlager- und Popmusik zu behaupten. Für mich war und ist es sehr beeindruckend zu sehen, was aus den einzelnen Künstlerinnen und Künstlern geworden ist, die den „Förderpreis der HSS für junge Songpoeten“ erhalten haben. Mit diesem Preis möchte die HSS ein günstiges Klima für junge Talente in der Liedermacherszene schaffen.
Was ist das Besondere an diesem Musik-Open-Air auf der Klosterwiese von Banz?
Die Klosterwiese mit Blick auf Kloster Banz, Kloster Vierzehnheiligen und die Städte Lichtenfels und Bad Staffelstein hat tatsächlich ein besonderes Flair. „Songs an einem Sommerabend“ und „Lieder auf Banz – ein Abend mit Freunden“ sind großartige Kulturevents. Neben dem künstlerischen Hochgenuss und der musikalischen Kreativität ist für mich eines besonders eindrucksvoll bei diesem Open-Air der Liedermacherinnen und Liedermacher: Das erfolgreiche gemeinsame Bemühen, die Begriffe „künstlerische Freiheit“, „Freiheit des Wortes“ und vor allem Toleranz mit Leben zu erfüllen. Wie gut Respekt, gegenseitige Achtung und sogar Freundschaft zwischen Menschen, die gegensätzliche politische Meinungen vertreten, gedeihen kann, wenn man die Musik als einigendes Band auf sich und andere wirken lässt – diese Erkenntnis gewinnt man auf Banz schnell!
Reden wir über die Spaltung in den Gesellschaften Europas und der USA. Wäre dort der „Banzer Geist der Toleranz“ hilfreich?
Es wäre großartig, wenn dieses einigende Band der Toleranz und Weltoffenheit möglichst viele Menschen und Entscheidungsträger in möglichst vielen Gesellschaften und Staaten umspannen könnte. Das gemeinsame Eintreten gegen die Demokratiefeinde von rechts und von links ist notwendig und wichtig! Vor diesem politischen Hintergrund stimme ich dem Liedermacher Konstantin Wecker zu, wenn er auf der Klosterwiese in seinem Lied „Questa nuova realta“ an uns appelliert: „Freunde, rücken wir zusammen, denn es züngeln schon die Flammen, und die Dummheit macht sich wieder einmal breit. Lasst uns miteinander reden, und umarmen wir jetzt jeden, der uns braucht, in dieser bitterkalten Zeit“!
Was können Stipendiatinnen und Stipendiaten konkret für die Stärkung unserer Demokratie leisten?
Junge Menschen, die das Glück hatten, das bisherige Leben in Freiheit, in einem demokratischen Rechtstaat zu leben, neigen dazu zu glauben, dies sei alles selbstverständlich. Dies ist es aber nicht. Junge Menschen müssen sich selbst engagiert für den Fortbestand des demokratischen Rechtsstaats, der Freiheit und des Friedens aktiv einsetzen. Dieses Engagement kann im parteipolitischen, im sozialen oder im kirchlichen Bereich sowie in Form von Tätigkeiten in Vereinen und Verbänden geschehen. Und zu guter Letzt: Gerade junge Menschen können und sollen ein wertvolles Bekenntnis zu unserer Demokratie geben, indem sie ihr persönliches Umfeld motivieren, sich engagiert gegen die Feinde unserer Demokratie zur Wehr zu setzen.
Du hast sicherlich viele interessante Menschen im Laufe deines Lebens kennengelernt. Wer hat dich am meisten beeindruckt?
Tatsächlich habe ich viele Menschen kennen- und wertschätzen gelernt, denen ich aufgrund ihrer Charakterfestigkeit, ihrer Persönlichkeit und ihres Engagements sogar Bewunderung entgegenbringe. Corazon Aquino, die frühere Präsidentin der Philippinen, gehört ebenso dazu wie der jetzige rumänische Staatspräsident Klaus Johannis. Besonders dankbar bin ich für die sehr bewegenden Gespräche mit den Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer und Esther Bejarano, die leider vor kurzem verstorben ist. Zwei großartige Menschen, Mahner und Vorbilder! Dr. Theo Waigel, Dr. Otto Wiesheu und Dr. Gerd Müller als Ratgeber und langjährige treue Freunde an meiner Seite zu wissen, hat mir stets Mut und Zuversicht gegeben!
Bei den „Songs an einem Sommerabend“ habe ich viele großartige Künstlerinnen und Künstler kennenlernen dürfen. Auch die Bekanntschaft mit der Trägerin des Friedensnobelpreises, Nadia Murat, zähle ich ebenso zu einem Highlight meines Lebens wie die enge Zusammenarbeit mit Düzen Tekkal, einer – gleichsam wie Nadia Murat – bemerkenswerten Kämpferin für das Überleben des Volkes der Jesiden. Aber abseits von all diesen Promis: Jungen, gesellschaftlich engagierten Talenten im Bildungs- und Kulturbereich zu helfen, ihre Wurzeln zu stärken und ihre Flügel zu weiten, war und ist für mich das größte Privileg. Diese schöne, verantwortungsvolle Aufgabe über viele Jahrzehnte erfüllen und gestalten zu dürfen, erfüllt mich lebenslang mit Dankbarkeit und Glückseligkeit!
Wie wird es für dich weitergehen? Wirst du der wissenschaftlichen Begabtenförderung und der Talentförderung im Kulturbereich weiterhin verbunden bleiben – und wenn ja, in welcher Form?
Ja, ich werde in beiden Bereichen tätig bleiben; und dies sowohl im In- wie auch im Ausland. Zusammen mit verschiedenen Begabtenförderwerken und anderen Institutionen werde ich demnächst einige Projekte umzusetzen versuchen. Mit mehreren Hochschulen, unter anderem der in Mittweida, werde ich neue internationale Studiengänge aufbauen und weiterentwickeln. Auch im Bereich der Förderung junger Liedermacherinnen und Liedermacher habe ich für das nächste Jahr Einiges vor. Fazit: Ich bin hoch motiviert!
Hans-Peter, ich danke dir für das Gespräch.
Als Leiter des Instituts für Begabtenförderung hat Hans-Peter Niedermeier Generationen von Stipendiatinnen und Stipendiaten geprägt. Im Audio-Interview verraten die Altstipendiaten Alexander Kropp und Philip Kuntschner sowie Stipendiatin Miriam Straßer, was ihnen zu HPN einfällt.