Dr. Rudolf Pfeifenrath in den (Un-)Ruhestand verabschiedet

Cui bono?

Veröffentlicht am 23. November 2023 von Volker Göbner

Ende Sep­tem­ber war es soweit: Nach 35 Berufs­jah­ren in der Hanns-Sei­del-Stif­tung wur­de Dr. Rudolf Pfei­fen­rath, Refe­rats­lei­ter im Insti­tut für Begab­ten­för­de­rung (IBF), in den Ruhe­stand ver­ab­schie­det. Er gehört noch zur „alten Gar­de“, die vor Jahr­zehn­ten den Berei­chen der Stu­di­en­för­de­rung der HSS mit auf­ge­baut und natür­lich geprägt hat, inzwi­schen aber kom­plett die Lei­tung der sie­ben Refe­ra­te des IBF in jun­ge Hän­de gelegt hat.

Dr. Rudolf Pfei­fen­rath: Der lang­jäh­ri­ge Refe­rats­lei­ter ist nun­mehr Ruhe­ständ­ler. Foto: V. Göbner

Der Weg ins Förderungswerk

Lehr­amt Deutsch und Geschich­te stu­dier­te der jun­ge Stu­dent aus Pähl, einem Ort süd­lich vom Ammer­see, Anfang der 1980er Jah­re an der LMU in Mün­chen. Nach dem ers­ten Staats­examen (1985) absol­vier­te er das Refe­ren­da­ri­at in Weil­heim, war nach dem zwei­ten Staats­examen Ende 1987 für vier Mona­te Leh­rer an einer Pri­vat­schu­le. Zur Hanns-Sei­del-Stif­tung kam Rudolf Pfei­fen­rath Anfang 1988. 

Zunächst war er Sach­be­ar­bei­ter im Insti­tut für Inter­na­tio­na­le Begeg­nung und Zusam­men­ar­beit (IBZ, heu­te Insti­tut für Inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit), der Ent­wick­lungs­hil­fe-Abtei­lung der Stif­tung. Nach Micha­el Cze­pal­la und Gabrie­le Ehr­lich wech­sel­te er im Herbst 1990 vom IBZ in das damals noch recht jun­ge „För­de­rungs­werk“, in dem Sti­pen­dia­ten aus Deutsch­land und aller Welt bei ihrem Stu­di­um geför­dert wurden. 

Dort lei­te­te er das Refe­rat für Pro­mo­ti­ons- und Fach­hoch­schul­för­de­rung. Anfangs hat­te er ins­ge­samt etwa 140 Sti­pen­dia­tin­nen und Sti­pen­dia­ten zu betreu­en. Neben­her pro­mo­vier­te Pfei­fen­rath an der Katho­li­schen Uni Eich­stätt im Bereich der Erwachsenenpädagogik.

Wachstum und Entwicklung des Stipendienprogramms

Die Stu­di­en­för­de­rung wur­de vor allem nach der Jahr­tau­send­wen­de aus­ge­wei­tet, auch mit deut­lich mehr Mit­teln aus dem Bun­des­haus­halt aus­ge­stat­tet. Der Fach­hoch­schul-Bereich war schon ein Aus­hän­ge­schild der HSS, er wur­de damit noch aus­ge­baut. „Wir waren den meis­ten ande­ren Stif­tun­gen weit vor­aus. Das hat­te sich aus­ge­zahlt. Wir konn­te gera­de den Tech­nik-Anteil der Sti­pen­dia­ten aus­bau­en“, so Pfeifenrath. 

Vie­le Stu­die­ren­de dort hat­ten den zwei­ten Bil­dungs­weg absol­viert, waren (und sind) sehr moti­viert. „Da geht es oft um inter­na­tio­na­le, export­ori­en­tier­te Berufs­fel­der. Da wird das Wün­schens­wer­te mit dem Mach­ba­ren ver­bun­den“, beschreibt Pfei­fen­rath. Bis 2017 – zwi­schen­zeit­lich wur­de das För­de­rungs­werk in „Insti­tut für Begab­ten­för­de­rung“ umbe­nannt – wuchs der Bereich auf 550 Sti­pen­dia­ten an und das Refe­rat wur­de geteilt. Seit 2018 betreut Dr. Andre­as Burtscheidt nun die Pro­mo­ven­den, Pfei­fen­rath fokus­sier­te sich auf die HAW-Absol­ven­ten, die Stu­die­ren­den der Hoch­schu­len für ange­wand­te Wissenschaften.

Seminarprogramm als Herzstück der Förderung

Kern der Betreu­ung von Sti­pen­dia­ten ist seit jeher neben dem per­sön­li­chen Kon­takt das Semi­nar­pro­gramm, an dem man zwei­mal jähr­lich teil­neh­men soll­te. Doch nur orga­ni­sie­ren und dann jemand ande­ren zur Lei­tung des Semi­nars in die Bil­dungs­zen­tren schi­cken, das war nicht Pfei­fen­raths Sache. Er woll­te sel­ber ler­nen, sich inspi­rie­ren las­sen, die The­men wei­ter ent­wi­ckeln. Nach dem Semi­nar war oft vor dem Semi­nar. Wen ver­pflich­tet man für nächs­tes Jahr wie­der, wel­che Aspek­te könn­te man noch vertiefen?

Seminar-Engagement vor Sonnenstrand 

Die Wochen­end­se­mi­na­re in Klos­ter Banz oder Wild­bad Kreuth (bis 2015), danach auch in Holz­hau­sen am Ammer­see, mach­ten sich ziem­lich breit in Pfei­fen­raths Jah­res­ka­len­der. Ein­mal waren es 26 Wochen­end­se­mi­na­re in einem Jahr! Für das Pri­vat­le­ben blieb da nicht viel Raum. Der Urlaub mit der Fami­lie rich­te­te sich nach dem Semi­nar­plan. „Urlaub war sekun­där.“ Einen Ort an der ita­lie­ni­schen Adria hat­ten die Pfei­fen­raths ins Her­zen geschlos­sen. Immer am glei­chen Ort, da war der Urlaub auch Urlaub und kein Aben­teu­er. Ein­mal aber doch. Denn auf dem Heim­weg ging die Licht­ma­schi­ne des Autos kaputt. Mit einer neu­en, vol­len Bat­te­rie wur­de der Heim­weg ange­tre­ten. Bis über die Gren­ze nach Bay­ern schaff­te es die Bat­te­rie ohne Nach­la­den, dann war auch da Schluss, das Auto blieb stehen. 

Doch Rudolf Pfei­fen­rath war ja schon in der Hei­mat. Bis nach Hau­se, um dort den Kof­fer zu wech­seln und am glei­chen Mor­gen recht­zei­tig am Münch­ner Haupt­bahn­hof zu ste­hen, wo der Bus für das HSS-Semi­nar nach Mont­pel­lier abfah­ren soll­te. „Das war sport­lich“, blickt Rudolf Pfei­fen­rath zurück und grinst.

Unvergessliche Erlebnisse an besonderen Orten

Studienreise nach Montpellier

Mont­pel­lier, die Metro­po­le in Süd­frank­reich, war über vie­le Jah­re das Ziel einer Stu­di­en­rei­se in Koope­ra­ti­on mit der Hoch­schu­le für Poli­tik und dem Spra­chen­zen­trum der Uni Hei­del­berg. Die Stadt selbst wur­de nur an einem Tag besucht, die Unter­kunft in Nébi­an, einem ver­schla­fe­nen Nest im Langue­doc, bil­det das bil­dungs­tech­ni­sche wie kuli­na­ri­sche Zen­trum. Unter den alten Ulmen eines zur Jugend­her­ber­ge umge­bau­ten Wein­guts wur­de Vor­trä­gen über His­to­rie und Zukunft Euro­pas in deutsch und fran­zö­sisch gelauscht. Ler­nen, wo ande­re Urlaub machen, war nie das Mot­to – aber fak­tisch der rote Faden. Mit die­sem Semi­nar ver­bin­det auch Pfei­fen­rath vie­le Erin­ne­run­gen. Ein­mal sag­te ihm eine (inzwi­schen lei­der ver­stor­be­ne) Alt­sti­pen­dia­tin, dass die­se Fahrt das schöns­te Semi­nar in ihrer HSS-Zeit gewe­sen sei. 

Rettungsaktion auf dem Mont Liausson

Oder die Ret­tungs­ak­ti­on, die bei einer Wan­de­rung im zer­klüf­te­ten Berg­mas­siv des Mont Liaus­son von den Sti­pen­dia­ten durch­ge­führt wer­den muss­te. Nach einem gut ein­stün­di­gen Auf­stieg knick­te ein Teil­neh­mer auf dem Gip­fel um. Sein Fuß­ge­lenk schwoll sehens­wert schnell an – Ver­dacht auf Bän­der­riss! Im gera­de erst begin­nen­den Han­dy-Zeit­al­ter war die Grup­pe auf sich allei­ne gestellt. Ban­da­gie­ren, Stie­fel tau­schen, Sichern – der Sti­pen­di­at mit respek­ta­bler Grö­ße muss­te von sei­nen Kame­ra­den zu Tal gebracht wer­den. In einer Gemein­schafts­leis­tung wur­de die Auf­ga­be gemeis­tert – ein für alle Betei­lig­ten unver­gess­li­ches Erleb­nis, wie sich auch Pfei­fen­rath erinnert.

Rudolf Pfei­fen­rath mit einer Sti­pen­dia­ten­grup­pe 1993 in Mont­pel­lier. Foto: V. Göbner

Interaktive Seminare als Erfolgskriterium

Über Jahr­zehn­te bil­de­ten Stu­di­en­fahr­ten zu Hot­spots der Welt­po­li­tik die Höhe­punk­te der Semi­na­re in Pfei­fen­raths Refe­rat. Brüs­sel und Ber­lin sowie­so, aber auch Genf, Wien oder Buda­pest wur­den ange­steu­ert. Es galt, supra­na­tio­na­le Orga­ni­sa­tio­nen ken­nen zu ler­nen. „In Gesprä­chen mit dem Flücht­lings­kom­mis­sar, mit der inter­na­tio­na­len Wäh­rungs­kom­mis­si­on, im Nato-Haupt­quar­tier oder im Opec-Sit­zungs­saal wer­den Poli­tik und Gestal­ten trans­pa­rent, da bekommt das Gan­ze ein bis­serl Fleisch“, sagt Pfei­fen­rath. Semi­na­re, die nur aus Fron­tal­vor­trä­gen bestan­den, lieb­te er wenig. Daher stan­den auch oft Rol­len­spie­le auf dem Pro­gramm. POLIS oder Euro-Net und nicht zielet Regio­Net etwa, in denen die Teil­neh­mer ver­schie­de­ne Rol­len ein­neh­men und das gan­ze Wochen­en­de aus­fül­len müs­sen. Da wird viel recher­chiert, stra­te­gi­sche Ent­schei­dun­gen müs­sen getrof­fen wer­den – und auf unvor­her­ge­se­he­ne Ereig­nis­se ist zu reagieren.

Cui bono – Die Stipendiaten immer im Fokus

Spä­ter wur­de der poli­ti­sche Ein­fluss auf die Semi­nar­in­hal­te stär­ker – was Pfei­fen­rath nicht gera­de begeis­ter­te. „Was nutzt es den Sti­pen­dia­ten, cui bono? Erwei­tert es den Hori­zont?“ Die Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät litt in Pfei­fen­raths Augen unter der neu­en Aus­rich­tung. Auch in sei­ner Krea­ti­vi­tät sah er sich ein­ge­schränkt. Also war zu über­le­gen, wie bewähr­te The­men neu ver­packt wer­den konn­ten. „Es muss immer inter­es­sant sein“, war ihm wich­tig, dass ein Semi­nar per se genü­gend Nach­fra­ge erzeugt. Auch Defi­zi­te im Teil­neh­mer­kreis galt es immer wie­der ein­mal abzu­bau­en. Schrei­ben und Reden kann prak­tisch immer ver­bes­sert wer­den. So kam auch ein­mal die „Schreib­werk­statt“ ins Seminarprogramm. 

Die Pandemie als Treiber der Digitalisierung

Mit Coro­na änder­te sich alles auf ein­mal erneut. Gera­de das IBF hat­te 2020 schnell auf Arbeit im Home-Office und Semi­na­re im Video-For­ma­te umge­stellt. Das kam, obwohl Pfei­fen­rath anfangs skep­tisch war, gut an. Auch heu­te noch gibt es zumin­dest teil­wei­se bei­des. Online-Semi­na­re ermög­li­chen aber auch Sti­pen­dia­ten, die sonst eine wei­te Anrei­se hät­ten, eine ein­fa­che Teilnahme.

Neue Wege nach dem Abschied: Engagement, Lehrauftrag und persönliche Pläne

Prä­senz wird künf­tig bei Rudolf Pfei­fen­rath eine deut­lich grö­ße­re Rol­le spie­len. Sei­nen Lehr­auf­trag an der Hoch­schu­le Mün­chen zum The­ma Film wird er vor­erst noch bei­be­hal­ten. Auch in der HSS kann er sich vor­stel­len, den einen oder ande­ren Vor­trag zu hal­ten. Das Wis­sen aus der Stif­tung wird er für eine neue sozia­le Stif­tung, die ein Fami­li­en­mit­glied ein­rich­ten möch­te, zur Ver­fü­gung stel­len. Auch die Auf­ga­be als Schöf­fe am Sozi­al­ge­richt reizt ihn, denn Gerech­tig­keit ist für ihn ein hohes Gut. Und natür­lich wird es im Som­mer 2024 ein­mal rich­tig in den Urlaub gehen. Nami­bia steht auf sei­ner Wunsch­lis­te. Und dann ist da noch das Häus­chen an einem ita­lie­ni­schen See, das es zu reno­vie­ren gilt. Ob dem Vater drei­er erwach­se­ner Töch­ter (und Groß­va­ter) da dann wirk­lich noch Zeit für all die ande­ren The­men bleibt?

Nachfolgerin:
Veronika Bauer

Im Okto­ber 2023 hat Vero­ni­ka das Amt von Dr. Rudolf Pfei­fen­rath über­nom­men und ist damit die neue Lei­tung der Hoch­schul­för­de­rung (HAW).

In ihrer neu­en Posi­ti­on möch­te sie mehr Ver­ant­wor­tung für die ziel­ge­rich­te­te För­de­rung der Sti­pen­dia­tin­nen und Sti­pen­dia­ten über­neh­men, indem sie neue Pro­gram­me in die ideel­le För­de­rung inte­griert. Das Ange­bot soll die Ziel­grup­pe sowohl för­dern als auch for­dern. Beson­ders wich­tig ist ihr dabei der fort­lau­fen­de Dia­log und eine offe­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on inner­halb der Stiftung.

Vero­ni­ka Bau­er als neue Lei­te­rin der Hoch­schul­för­de­rung. Foto: Tho­mas Kießling