Gründergeist

App auf Rezept

Veröffentlicht am 30. Januar 2023 von Lucia Michel

Mit einer App das Leben tau­sen­der Pati­en­ten ver­bes­sern – aus einer anfäng­li­chen Idee ent­wi­ckel­ten Tobi­as Heu­sin­ger, Maxi­me le Mai­re und Johan­nes Rauf­ei­sen eine Visi­on. Seit einem Jahr arbei­ten die drei Co-Foun­der an einer neu­en Markt­lö­sung für Mor­bus Bech­te­rew Pati­en­ten – und erhiel­ten hier­für im April 2022 den Grün­der­preis für Digi­ta­le Inno­va­tio­nen des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Wirtschaft.

Tobi­as Heu­sin­ger ist Medi­zin­stu­dent, Sti­pen­di­at der Hanns-Sei­del-Stif­tung und einer der Mit­grün­der der im Novem­ber 2021 gegrün­de­ten Appli­me­da GmbH. Gemein­sam mit dem Medi­zin­stu­den­ten Maxi­me le Mai­re und dem Infor­ma­ti­ker Robert Lep­pisch ent­wi­ckelt der 25-Jäh­ri­ge eine „App auf Rezept“ für an Mor­bus Bech­te­rew Erkrank­te. Das Vor­ha­ben wur­de im April vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Wirt­schaft mit dem Grün­dungs­preis für Digi­ta­le Inno­va­tio­nen ausgezeichnet.

Deutsch­land­weit sind über 250 Tau­send Men­schen – in der Regel bereits ab dem jun­gen Erwach­se­nen­al­ter – von der unheil­ba­ren rheu­ma­ti­schen Krank­heit der Wir­bel­säu­le betrof­fen. Eine früh­zei­tig ein­ge­lei­te­te und umfas­sen­de The­ra­pie, die neben der Ein­nah­me von Medi­ka­men­ten in einer inten­si­ven Bewe­gungs­the­ra­pie besteht, kann den Krank­heits­ver­lauf signi­fi­kant posi­tiv beein­flus­sen. Aktu­ell füh­ren jedoch über zwei Drit­tel der betrof­fe­nen Pati­en­ten die für sie essen­zi­el­le The­ra­pie unzu­rei­chend durch. Das Aus­blei­ben einer medi­zi­nisch indi­zier­ten, opti­ma­len Bewe­gungs­the­ra­pie hat häu­fig schwe­re Aus­wir­kun­gen auf Betrof­fe­ne: Fol­gen sind die Not­wen­dig­keit einer erhöh­ten Dosie­rung har­ter, immun­sup­p­ri­mie­ren­der Medi­ka­men­te, erheb­li­che Schmer­zen, lang­fris­ti­ge Ver­stei­fun­gen der Wir­bel­säu­le und nicht zuletzt häu­fig Berufs­un­fä­hig­keit und eine stark ein­ge­schränk­te Lebensqualität.

Wirksamkeit und Nutzen müssen nachgewiesen werden

Die als Digi­ta­le Gesund­heits­an­wen­dung ent­wi­ckel­te Smart­phone-App für Mor­bus Bech­te­rew begeg­net die­sen mit einem smar­ten Usa­bi­li­ty-Kon­zept durch den Ein­satz moti­va­ti­ons­psy­cho­lo­gi­scher Kon­zep­te und wis­sen­schafts­ba­sier­ten Anlei­tun­gen zu einer lang­fris­tig durch­ge­führ­ten Bewe­gungs­the­ra­pie, um die Lebens­qua­li­tät der Betrof­fe­nen nach­weis­lich zu verbessern. 

Erst seit knapp zwei Jah­ren besteht hier­für in Deutsch­land, als ers­tem Land der Welt, eine Geset­zes­grund­la­ge, wel­che ermög­licht, dass digi­ta­le Gesund­heits­an­wen­dun­gen von Ärz­ten „wie Medi­ka­men­te auf Rezept ver­schrie­ben“ und von den gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen voll­stän­dig erstat­tet wer­den kön­nen – eine Inno­va­ti­on mit enor­mem Zukunftspotential. 

Die Zulas­sung einer App als sog. „DiGA“ geht mit eini­gen, nicht tri­via­len regu­la­to­ri­schen Anfor­de­run­gen ein­her. Um die Erstat­tungs­fä­hig­keit einer sol­chen Gesund­heits­an­wen­dung zu erhal­ten, muss die Wirk­sam­keit und der Nut­zen für den Pati­en­ten in einer wis­sen­schaft­li­chen Stu­die mit Betrof­fe­nen unter Ein­hal­tung hoher defi­nier­ter Stan­dards nach­ge­wie­sen werden. 

Als Medi­zin­stu­den­ten der Uni­ver­si­tät in Würz­burg gin­gen Tobi­as Heu­sin­ger und Maxi­me le Mai­re mit ihrer Visi­on – zu jenem Zeit­punk noch ohne App – auf Exper­ten der Rheu­ma­kli­nik der Uni­ver­si­täts­kli­nik Würz­burg zu und frag­ten die Mög­lich­keit an, gemein­sam eine ent­spre­chen­de Stu­die durch­zu­füh­ren. Begeis­tert von der zunächst unge­wöhn­li­chen Anfra­ge durch die bei­den Stu­den­ten, kon­zep­tio­nier­te und plan­te man dar­auf­hin in einer eigens geschaf­fe­nen Bech­te­rew-Arbeits­grup­pe eine Stu­die mit über zwei­hun­dert Pati­en­ten, deren Start nach Fer­tig­stel­lung des inter­nen Test­re­lease der App noch Ende 2022 geplant wur­de. Dar­über hin­aus konn­ten Heu­sin­ger und Co. die ansäs­si­gen Rheu­ma­to­lo­gen als enge Part­ner und inten­siv ein­ge­bun­de­ne Rat­ge­ber für die medi­zi­nisch-fach­li­che Gestal­tung der App gewinnen.

Kooperation mit Patientenverband

Eine wei­te­re, beson­ders enge Koope­ra­ti­on ent­wi­ckel­te sich mit der Deut­schen Ver­ei­ni­gung Mor­bus Bech­te­rew e.V. („DVMB“), dem deutsch­land­wei­ten Pati­en­ten­ver­band mit etwa 14.000 Mit­glie­dern. Tobi­as Heu­sin­ger und Maxi­me le Mai­re führ­ten gemein­sam mit der Uni­ver­si­täts­kli­nik Würz­burg unter den Mit­glie­dern eine mitt­ler­wei­le in ein­schlä­gi­ger Fach­li­te­ra­tur publi­zier­te, Umfra­ge mit über 430 Pati­en­ten durch, wel­che den Bedarf nach einer App beleg­te und von Pati­en­ten gewünsch­te Inhal­te für eine „Mor­bus Bech­te­rew App“ unter­such­te. Mit­glie­der der DVMB wer­den im Wei­te­ren bestän­dig in die Ent­wick­lung der App mit ein­be­zo­gen, um sicher­zu­stel­len, dass die bereit­ge­stell­ten Funk­tio­nen die Bedürf­nis­se betrof­fe­ner Pati­en­ten erfüllen.

Wäh­rend der lau­fen­den Pro­gram­mie­rung der App berück­sich­ti­gen Tobi­as Heu­sin­ger und sei­ne Mit­strei­ter die Vor­ga­ben der neu­en Medi­zin­pro­duk­te-Ver­ord­nung (EU-Ver­ord­nung 2017/745), wel­che unter ande­rem ein Qua­li­täts­ma­nage­ment­sys­tem und eine aus­führ­li­che Tech­ni­sche Doku­men­ta­ti­on ver­langt. Denn nur CE-zer­tif­zier­te Medi­zin­pro­duk­te, die hin­sicht­lich des Daten­schut­zes und der Infor­ma­ti­ons­si­cher­heit höchs­ten Anfor­de­run­gen genü­gen, kön­nen als DiGAs von Ärz­ten ver­schrie­ben werden. 

Die in den mitt­ler­wei­le erfolg­reich durch­ge­führ­ten Stu­di­en gesam­mel­ten Daten konn­ten den erwar­te­ten Nut­zen der App empi­risch bele­gen und somit den Mehr­wert der Gesund­heits­an­wen­dung nach­wei­sen. Die CE-Zer­ti­fi­zie­rung und der offi­zi­el­le Launch der App soll bereits im Febru­ar 2023 statt­fin­den. Gelingt dies, kann die App im Lau­fe des kom­men­den Jah­res von Ärz­ten ver­schrie­ben und einem jeden in Deutsch­land an Mor­bus Bech­te­rew erkrank­ten Pati­en­ten kos­ten­los zur Ver­fü­gung gestellt werden.