Gründergeist
App auf Rezept
Mit einer App das Leben tausender Patienten verbessern – aus einer anfänglichen Idee entwickelten Tobias Heusinger, Maxime le Maire und Johannes Raufeisen eine Vision. Seit einem Jahr arbeiten die drei Co-Founder an einer neuen Marktlösung für Morbus Bechterew Patienten – und erhielten hierfür im April 2022 den Gründerpreis für Digitale Innovationen des Bundesministeriums für Wirtschaft.
Tobias Heusinger ist Medizinstudent, Stipendiat der Hanns-Seidel-Stiftung und einer der Mitgründer der im November 2021 gegründeten Applimeda GmbH. Gemeinsam mit dem Medizinstudenten Maxime le Maire und dem Informatiker Robert Leppisch entwickelt der 25-Jährige eine „App auf Rezept“ für an Morbus Bechterew Erkrankte. Das Vorhaben wurde im April vom Bundesministerium für Wirtschaft mit dem Gründungspreis für Digitale Innovationen ausgezeichnet.
Deutschlandweit sind über 250 Tausend Menschen – in der Regel bereits ab dem jungen Erwachsenenalter – von der unheilbaren rheumatischen Krankheit der Wirbelsäule betroffen. Eine frühzeitig eingeleitete und umfassende Therapie, die neben der Einnahme von Medikamenten in einer intensiven Bewegungstherapie besteht, kann den Krankheitsverlauf signifikant positiv beeinflussen. Aktuell führen jedoch über zwei Drittel der betroffenen Patienten die für sie essenzielle Therapie unzureichend durch. Das Ausbleiben einer medizinisch indizierten, optimalen Bewegungstherapie hat häufig schwere Auswirkungen auf Betroffene: Folgen sind die Notwendigkeit einer erhöhten Dosierung harter, immunsupprimierender Medikamente, erhebliche Schmerzen, langfristige Versteifungen der Wirbelsäule und nicht zuletzt häufig Berufsunfähigkeit und eine stark eingeschränkte Lebensqualität.
Wirksamkeit und Nutzen müssen nachgewiesen werden
Die als Digitale Gesundheitsanwendung entwickelte Smartphone-App für Morbus Bechterew begegnet diesen mit einem smarten Usability-Konzept durch den Einsatz motivationspsychologischer Konzepte und wissenschaftsbasierten Anleitungen zu einer langfristig durchgeführten Bewegungstherapie, um die Lebensqualität der Betroffenen nachweislich zu verbessern.
Erst seit knapp zwei Jahren besteht hierfür in Deutschland, als erstem Land der Welt, eine Gesetzesgrundlage, welche ermöglicht, dass digitale Gesundheitsanwendungen von Ärzten „wie Medikamente auf Rezept verschrieben“ und von den gesetzlichen Krankenkassen vollständig erstattet werden können – eine Innovation mit enormem Zukunftspotential.
Die Zulassung einer App als sog. „DiGA“ geht mit einigen, nicht trivialen regulatorischen Anforderungen einher. Um die Erstattungsfähigkeit einer solchen Gesundheitsanwendung zu erhalten, muss die Wirksamkeit und der Nutzen für den Patienten in einer wissenschaftlichen Studie mit Betroffenen unter Einhaltung hoher definierter Standards nachgewiesen werden.
Als Medizinstudenten der Universität in Würzburg gingen Tobias Heusinger und Maxime le Maire mit ihrer Vision – zu jenem Zeitpunk noch ohne App – auf Experten der Rheumaklinik der Universitätsklinik Würzburg zu und fragten die Möglichkeit an, gemeinsam eine entsprechende Studie durchzuführen. Begeistert von der zunächst ungewöhnlichen Anfrage durch die beiden Studenten, konzeptionierte und plante man daraufhin in einer eigens geschaffenen Bechterew-Arbeitsgruppe eine Studie mit über zweihundert Patienten, deren Start nach Fertigstellung des internen Testrelease der App noch Ende 2022 geplant wurde. Darüber hinaus konnten Heusinger und Co. die ansässigen Rheumatologen als enge Partner und intensiv eingebundene Ratgeber für die medizinisch-fachliche Gestaltung der App gewinnen.
Kooperation mit Patientenverband
Eine weitere, besonders enge Kooperation entwickelte sich mit der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e.V. („DVMB“), dem deutschlandweiten Patientenverband mit etwa 14.000 Mitgliedern. Tobias Heusinger und Maxime le Maire führten gemeinsam mit der Universitätsklinik Würzburg unter den Mitgliedern eine mittlerweile in einschlägiger Fachliteratur publizierte, Umfrage mit über 430 Patienten durch, welche den Bedarf nach einer App belegte und von Patienten gewünschte Inhalte für eine „Morbus Bechterew App“ untersuchte. Mitglieder der DVMB werden im Weiteren beständig in die Entwicklung der App mit einbezogen, um sicherzustellen, dass die bereitgestellten Funktionen die Bedürfnisse betroffener Patienten erfüllen.
Während der laufenden Programmierung der App berücksichtigen Tobias Heusinger und seine Mitstreiter die Vorgaben der neuen Medizinprodukte-Verordnung (EU-Verordnung 2017/745), welche unter anderem ein Qualitätsmanagementsystem und eine ausführliche Technische Dokumentation verlangt. Denn nur CE-zertifzierte Medizinprodukte, die hinsichtlich des Datenschutzes und der Informationssicherheit höchsten Anforderungen genügen, können als DiGAs von Ärzten verschrieben werden.
Die in den mittlerweile erfolgreich durchgeführten Studien gesammelten Daten konnten den erwarteten Nutzen der App empirisch belegen und somit den Mehrwert der Gesundheitsanwendung nachweisen. Die CE-Zertifizierung und der offizielle Launch der App soll bereits im Februar 2023 stattfinden. Gelingt dies, kann die App im Laufe des kommenden Jahres von Ärzten verschrieben und einem jeden in Deutschland an Morbus Bechterew erkrankten Patienten kostenlos zur Verfügung gestellt werden.