Blick aus dem nördlichen Jordantal auf die Hügel des Westjordanlandes (Foto: Sophia Maier)
Blick aus dem nördlichen Jordantal auf die Hügel des Westjordanlandes (Foto: Sophia Maier)

Praktikum im HSS-Büro in Jordanien

Inmitten eines aktiven Vulkans

Veröffentlicht am 10. Januar 2025 von Sophia Maier

Von Krie­gen umzingelt

„IN JORDANIEN?“ war immer die ers­te Fra­ge, wenn ich jeman­dem erklär­te, wo ich mein Aus­lands­prak­ti­kum machen wür­de: Im Regio­nal­bü­ro der Hanns-Sei­del-Stif­tung in Amman, der Haupt­stadt Jor­da­ni­ens. Kein Wun­der, dass mein Umfeld oft ent­setzt von mei­nem Vor­ha­ben war: Die Regi­on, in die ich rei­sen will, den „Nahen Osten“, ver­bin­den vie­le mit Dik­ta­tur, Ter­ror, Flucht – und vor allem Krieg. Seit über einem Jahr erschüt­tert ein Krieg die Regi­on. Stän­dig besteht die Gefahr, dass die­ser zu einem Flä­chen­brand aus­ar­tet. Als Ant­wort auf die bru­ta­le Ter­ror­at­ta­cke der Hamas am 7. Okto­ber 2023 führt Isra­el mitt­ler­wei­le an meh­re­ren Fron­ten einen erbit­ter­ten Krieg gegen Ter­ror­or­ga­ni­sa­tio­nen und Staa­ten, die sie unter­stüt­zen. Jor­da­ni­en – und damit auch ich – steht nicht nur bild­lich, son­dern auch geo­gra­fisch zwi­schen die­sen Fron­ten. Es liegt genau zwi­schen Isra­el und dem Iran, grenzt im Osten an den Irak, im Nor­den an Syri­en und teilt sei­ne gesam­te west­li­che Gren­ze mit Isra­el und dem West-Jor­dan­land. Es ist Part­ner des Wes­tens, aber auch Teil der Ara­bi­schen Liga und pflegt diplo­ma­ti­sche Bezie­hun­gen mit der gan­zen Welt. Über die Hälf­te der Bevöl­ke­rung ist paläs­ti­nen­si­scher Abstam­mung. Egal wo man in Jor­da­ni­en ist – der Krieg ist immer in unmit­tel­ba­rer Nähe.

Der Krieg am Horizont

Auf dem Weg zu ver­schie­de­nen Pro­jekt­be­su­chen im Süden des Lan­des fah­re ich mit mei­nen Kol­le­gen den High­way an der Gren­ze mit Israel/Palästina ent­lang. „Die Hügel da drü­ben“, sagt mei­ne jor­da­ni­sche Kol­le­gin und deu­tet auf san­di­ge Erhö­hun­gen, die sich viel­leicht zwei Kilo­me­ter ent­fernt am Hori­zont abzeich­nen, „dort ist das West­jor­dan­land“. Dass hier die Gren­ze zwi­schen Krieg und Frie­den ver­läuft, fällt kaum auf. Nur unse­re GPS-Sys­te­me zei­gen, dass hier etwas nicht stimmt. Ich schaue auf das Tote Meer und die paläs­ti­nen­si­schen Gebie­te dahin­ter – und laut mei­nem Han­dy bin ich noch am Flug­ha­fen in Amman, die Kol­le­gin neben mir in Bei­rut, das Navi­ga­ti­ons­sys­tem unse­res Autos kämpft sich der­weil durch die Stra­ßen von Kai­ro. Mei­ne Kol­le­gen erklä­ren mir, dass das hier öfter pas­siert: Die Signa­le glo­ba­ler Navi­ga­ti­ons­sys­te­me wer­den über­schrie­ben, um die­se funk­ti­ons­un­fä­hig zu machen. Vor allem nahe der Gren­ze soll die­se Tak­tik poten­zi­el­le Angrei­fer ein­schrän­ken – es trifft aber auch das zivi­le Leben. Die Stra­ßen kön­nen ohne Navi­ga­ti­on zu einem Laby­rinth wer­den. Auch der kom­mer­zi­el­le Flug­ver­kehr wird so immer wie­der gestört.

Oben im Nor­den besu­chen wir Frau­en in Dör­fern im Jor­dan­tal. Sie leben nahe der Gren­ze zum West­jor­dan­land und kön­nen jeden Tag auf die Hügel des paläs­ti­nen­si­schen Gebiets bli­cken. Auch hier kommt es seit dem 7. Okto­ber 2023 immer wie­der zu Zusam­men­stö­ßen zwi­schen Israe­lis und Paläs­ti­nen­sern, auch unter Ein­satz von Luft­an­grif­fen und Pan­zern. Für die Frau­en in den Dör­fern des nörd­li­chen Jor­dan­tals ist der Krieg zwar hin­ter einer schein­bar unüber­wind­ba­ren Gren­ze weit ent­fernt – und doch so nah. Ein paar Mal wären sie nachts wach gele­gen, weil sie Explo­sio­nen und lau­te Moto­ren in der Fer­ne vom Schla­fen abhal­ten, erzäh­len sie mir. „Es sind nicht nur die Geräu­sche“, erklärt mir eine von ihnen. „Es sind die Gedan­ken dar­an, was dort gera­de pas­siert.“ Auf ihren Han­dys zei­gen sie mir Bil­der und Vide­os, in denen man blit­zen­de Lich­ter und Kampf­flug­zeu­ge über den Hügeln sieht, die gera­de in der Nach­mit­tags­son­ne so still und fried­lich vor mir liegen.

Die Grenze zwischen Jordanien (vorne) und Israel wird an der Taufstelle Jesu durch den Fluss Jordan (in der Mitte zwischen den Mauern) getrennt. (Foto: Sophia Maier)

Der Krieg über dem Kopf

Die blit­zen­den Lich­ter und lau­ten Explo­sio­nen blei­ben nicht am Hori­zont. Am Abend des 1. Okto­ber lie­ge ich, noch erschöpft von mei­nem ers­ten Arbeits­tag, in mei­nem Bett in Amman, als ich das ers­te Knal­len höre. Es klingt wie Don­ner – und ich wun­de­re mich noch, weil Gewit­ter und Regen in Jor­da­ni­en nicht gera­de häu­fig vor­kom­men. Ich schaue auf mein Han­dy: EILMELDUNG Iran feu­ert rund 200 Rake­ten auf Isra­el. Auf ihrem Weg nach Osten über­que­ren die­se Rake­ten auch Jor­da­ni­en – und flie­gen direkt über unse­re Köp­fe. Ich gehe zu mei­nem Fens­ter. Die Rake­ten sehen aus wie hel­le­re und grö­ße­re Stern­schnup­pen. Sie sind auch lang­sa­mer: Wie Flug­zeu­ge zie­hen sie über Amman hin­weg auf dem Weg zu ihrem Ziel. Wenn man nicht wüss­te, dass sie dort für Tod und Zer­stö­rung sor­gen sol­len, sähen sie eigent­lich sogar ganz schön aus. Mei­ne Kol­le­gin schreibt mir: „Mach dir kei­ne Sor­gen, wir sind sicher, aber bleib vom Fens­ter weg, geh am bes­ten in einen fens­ter­lo­sen Raum.“ Beschämt von mei­ner eige­nen Plan­lo­sig­keit set­ze ich mich wie­der auf mein Bett – dass man nicht noch extra sein Fens­ter auf­ma­chen soll­te, wenn Rake­ten in der Luft sind, hät­te ich mir eigent­lich auch frü­her den­ken kön­nen. Ich bekom­me eine E‑Mail von der deut­schen Bot­schaft in Amman – vor mei­ner Rei­se habe ich mich auf der Kri­sen­lis­te des Aus­wär­ti­gen Amtes regis­triert: „Lie­be Lands­leu­te, der Iran hat den befürch­te­ten Angriff auf Isra­el gestar­tet.“ Es gibt einen zwei­ten Knall, wie­der wie ein Don­ner­schlag. Spä­ter erfah­ren wir, dass eini­ge der Rake­ten über Amman abge­fan­gen und in der Luft zum Explo­die­ren gebracht wur­den. Jor­da­ni­en traf der Angriff unvor­be­rei­tet, es waren sogar noch Pas­sa­gier­flug­zeu­ge in der Luft. Die abge­schos­se­nen Rake­ten fal­len über Amman vom Him­mel. Sie sind etwa 16 Meter lang und wie­gen 19 Kilo.[1] Auch ohne Explo­si­on kön­nen sie beim Ein­schla­gen für Zer­stö­rung sor­gen. Spä­ter sehe ich Vide­os von den rie­si­gen Geschos­sen, wie sie bren­nend in den Stra­ßen von Amman lie­gen. Dass nie­mand dabei ver­letzt wur­de, grenzt an ein Wunder.

Rake­ten von Iran nach Isra­el über Amman, Quel­le: Instagram

Nach dem ers­ten Luft­an­griff sehe ich jeden Tag nach, ob es Ent­wick­lun­gen im Iran gibt und ver­su­che, wach­sam zu sein. Eines Abends ver­rü­cken mei­ne Nach­barn über mir ihre Möbel. Ich zucke zusam­men. Die lau­ten, dump­fen Schlä­ge klin­gen wie die Rake­ten, die ich zu Beginn mei­nes Prak­ti­kums noch mit Don­ner ver­wech­selt habe. An einem ande­ren Tag riecht es ver­brannt, als ich das Haus ver­las­se, und mein ers­ter Blick geht zum Him­mel, um zu sehen, ob es wie­der Explo­sio­nen über Amman gab. Ende Okto­ber wer­den es immer mehr Mel­dun­gen: Isra­el bewegt sei­ne Kampf­flug­zeu­ge, Insi­der geben bekannt „Isra­el is on the brink of laun­ching an attack on Iran“. Am 26. Okto­ber ist es soweit: Ich bin ich gera­de mit Freun­den in einem abge­le­ge­nen Hos­tel in den Ber­gen, als ich mor­gens lese: „Nach Anga­ben des israe­li­schen Mili­tärs haben in der Nacht dut­zen­de Kampf­flug­zeu­ge Anla­gen zur Her­stel­lung von Rake­ten im rund 1.500 Kilo­me­ter ent­fern­ten Iran ange­grif­fen.“ Ob die Flug­zeu­ge über Jor­da­ni­en geflo­gen sind, ist unklar. Das Königs­haus strei­tet das ab, und betont, nie­mand dür­fe sei­nen Luft­raum verletzen.

Den­noch ent­steht aus der ste­tig dro­hen­den Gefahr vor Rake­ten – ob aus Iran, Isra­el oder von einer der vie­len Ter­ror­mi­li­zen, die kräf­tig mit­feu­ern – ein Flug­cha­os über der gesam­ten Regi­on. Wer aus dem Wes­ten nach Jor­da­ni­en will, kann nur noch über Ägyp­ten flie­gen – Isra­el, Liba­non und Syri­en sind kei­ne Opti­on. Alle Nacht­flü­ge wer­den auf den Tag ver­scho­ben, weil hier die Wahr­schein­lich­keit für Angrif­fe gerin­ger ist.

Der Krieg im Kopf

Doch der Krieg fin­det schon lan­ge nicht mehr nur am Hori­zont oder über unse­ren Köp­fen statt – auch die täg­li­chen Gedan­ken krei­sen immer wie­der dar­um. Für mein Prak­ti­kum soll ich jeden Tag einen Bericht über die neu­es­ten Ereig­nis­se in Jor­da­ni­en, Syri­en und Liba­non schrei­ben und scan­ne dafür mehr­mals täg­lich alle gän­gi­gen News-Sei­ten. Ich sehe Bil­der von ein­ge­stürz­ten Häu­sern, toten Kin­dern, wei­nen­den Müt­tern, miss­han­del­ten Gei­seln und bren­nen­den Men­schen. Beim Mit­tag­essen, bei den Auto­fahr­ten, bei den Gesprä­chen mit den Pro­jekt­part­nern – über alle bahnt sich der Krieg sei­nen Weg in die Unter­hal­tung, die dann immer wie­der in einem gedan­ken­ver­lo­re­nen Schwei­gen endet.

Der Krieg vor Ort

Als ich auf der Suche nach einer Ara­bisch­leh­re­rin bin, die mir ein paar Sät­ze für den All­tag in Jor­da­ni­en bei­bringt, ler­ne ich Nada ken­nen. Eine ehe­ma­li­ge Schü­le­rin von ihr ant­wor­tet auf mein Hil­fe­ge­such und erzählt mir, dass Nada im Gaza­strei­fen lebe und drin­gend Arbeit suche. Sie schickt mir ihr Insta­gram-Pro­fil, um sie zu kon­tak­tie­ren. In ihrem Pro­fil sehe ich Bil­der und Vide­os von ihr, ihrem Mann und ihren drei Kin­dern vor einem Jahr auf dem Weg von ihrer Hei­mat, Gaza Stadt, in eine Flücht­lings­camp in Deir Al-Baha im Süden. Von Gas­ko­chern und Zel­ten, auf deren Pla­nen „UNICEF“ steht, von dre­cki­gem Was­ser aus einem Schlauch, in dem sie ihre Klei­der wäscht. Sie schil­dert Angrif­fe, die nur weni­ge Meter von ihr ent­fernt statt­fan­den. Sie erzählt von ihrem drei­jäh­ri­gen Sohn, Jad, der Asth­ma hat und sei­nen Inha­la­tor bei der Flucht zurück­las­sen muss­te. Ich schrei­be ihr eine Nach­richt, und wir ver­ein­ba­ren Unter­richts­stun­den. Nada wirkt trotz ihrer Umstän­de auf­ge­weckt, wenn wir tele­fo­nie­ren. Sie hat Sät­ze vor­be­rei­tet, die sie mir bei­bringt. Manch­mal höre ich ihre Kin­der im Hin­ter­grund. „They are tired“, erklärt sie mir. „We all are. We haven’t slept pro­per­ly for one year.” Manch­mal wird unser Tele­fo­nat abrupt been­det und ich höre stun­den­lang nichts von Nada, weil die Inter­net­ver­bin­dung immer wie­der abbricht. Wenn sie sich dann end­lich wie­der bei mir mel­det, atme ich erleich­tert auf – zum Glück ist ihr nichts passiert.

Wie ich, fühlt sich auch die jor­da­ni­sche Bevöl­ke­rung macht­los gegen­über den Bil­dern, die sie aus Gaza, Liba­non und Syri­en errei­chen. Das König­reich hat vie­le Geflüch­te­te aus den paläs­ti­nen­si­schen Gebie­ten und Syri­en auf­ge­nom­men, auch eini­ge Liba­ne­sen leben hier. Vie­le mei­ner Taxi­fah­rer und Kell­ner, mei­ne Mit­be­woh­ne­rin und eini­ge Freun­de, die ich hier ken­nen­ler­ne, haben paläs­ti­nen­si­sche Wur­zeln. Sie sind wütend. Wütend auf Isra­el, den Krieg – und Deutsch­land, das sich immer wie­der unein­ge­schränkt an die Sei­te Isra­els stell­te. Für die Men­schen hier ist das unver­ständ­lich. Seit dem 8. Okto­ber 2023, dem Tag, an dem Isra­el sei­ne Inva­si­on in Gaza begann, betrifft das teil­wei­se auch die Arbeit der HSS. Als deut­sche poli­ti­sche Stif­tung bekommt auch sie die Kri­tik ab, die die Bun­des­re­gie­rung hier erfährt. Eine Part­ner­or­ga­ni­sa­ti­on been­de­te mit sofor­ti­ger Wir­kung die Zusam­men­ar­beit, geplan­te Pro­jek­te wur­den abge­sagt. Auch die Lei­te­rin der Part­ner­or­ga­ni­sa­ti­on „United for Human Rights – Arab World Cent­re for Demo­cra­tic Deve­lo­p­ment”, Dr. Ami­ra Mos­ta­fa, ist bei ihren Semi­na­ren über Men­schen­rech­te der Kri­tik von den Teil­neh­men­den aus­ge­setzt. „War­um wol­len uns die Deut­schen etwas über Men­schen­rech­te erzäh­len, wenn sie den Krieg unter­stütz­ten?“ fra­gen sie.

Auf der anderen Seite des Toten Meers liegt im Dunst Palästina (Foto: Sophia Maier)
Auf der ande­ren Sei­te des Toten Meers liegt im Dunst Paläs­ti­na (Foto: Sophia Maier)

Auch nach der israe­li­schen Offen­si­ve im Liba­non muss­te die HSS hier ihre Pro­jek­te ändern. Bis­her wur­de hier viel mit Umwelt­or­ga­ni­sa­tio­nen zusam­men­ge­ar­bei­tet, die sich für die Wie­der­auf­fors­tung im Liba­non und nach­hal­ti­ge Land­wirt­schaft ein­set­zen. Durch die Angrif­fe Isra­els, die auf Mit­glie­der der Ter­ror-Miliz His­bol­lah abzie­len, wer­den auch die Wäl­der und Agrar­flä­chen mas­siv geschä­digt. Doch mit über einer Mil­lio­nen Men­schen, die durch die Angrif­fe auf den Süd­li­ba­non und Bei­rut ver­trie­ben wur­den, hat das erst­mal kei­ne Prio­ri­tät mehr. Die Part­ner­or­ga­ni­sa­tio­nen haben inner­halb weni­ger Tage ihr Enga­ge­ment vom Umwelt­schutz auf huma­ni­tä­re Hil­fe umge­stellt. Es wer­den Schlaf­plät­ze ver­mit­telt, Matrat­zen orga­ni­siert, Mahl­zei­ten aus­ge­ge­ben, Hygie­ne­ar­ti­kel und Medi­ka­men­te ver­teilt. Sie haben Spen­den­kon­ten und Abga­be­stel­len für Sach­spen­den ein­ge­rich­tet. In Schu­len und Sam­mel­stel­len für Geflüch­te­te ver­an­stal­ten sie Spie­le­aben­de, um Kin­der zu unter­hal­ten und ihnen Freu­de zu berei­ten. In nur kur­zer Zeit haben sie ihre gesam­te Arbeit dar­auf aus­ge­rich­tet, ande­ren zu helfen.

Die HSS unter­stützt dabei, wo sie kann – doch Geld­trans­fers und Hilfs­leis­tun­gen in den Liba­non, wo oben­drein eine mas­si­ve Wirt­schafts­kri­se herrscht, sind schwer. Zudem muss die Stif­tung als Zuwen­dungs­emp­fän­ger von Gel­dern des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für wirt­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit und Ent­wick­lung im Rah­men ihrer Auf­la­gen blei­ben. Die­se beschrän­ken sich auf die Erar­bei­tung von „Lösungs­an­sät­zen für Ent­wick­lungs­fra­gen“ und den „Auf­bau funk­tio­nie­ren­der staat­li­cher und demo­kra­ti­scher Struk­tu­ren.“[2] Huma­ni­tä­re Hil­fe gehört da nicht dazu, dafür sind ande­re Orga­ni­sa­tio­nen zustän­dig. Den­noch steht die Stif­tung in engem Kon­takt mit ihren Part­nern und ver­sucht ihre Ange­bo­te zu ermög­li­chen. Mit einem Pro­jekt im Rah­men der Lebens­mit­tel­si­cher­heit in Liba­non wer­den Teil­neh­me­rin­nen in der Zube­rei­tung und Ver­tei­lung von Mahl­zei­ten für Groß­be­trie­be geschult – und kön­nen damit eini­ge Hilfs­be­dürf­ti­ge versorgen. 

Ein Krieg, der hof­fent­lich Geschich­te wird

Trotz der hef­ti­gen Luft­an­grif­fe auf Syri­en und des Kriegs in Liba­non kann die HSS eine Syre­rin und eine Liba­ne­sin als Teil der HSS-MENA-Dele­ga­ti­on auf die Welt­kli­ma­kon­fe­renz schi­cken. Oft geht es auch dar­um, den Men­schen aus die­sen Regio­nen, die mit so vie­len Her­aus­for­de­run­gen zu kämp­fen haben, Sicht­bar­keit zu ver­schaf­fen, ihnen Chan­cen zu bie­ten und ihren Wer­de­gang zu unter­stüt­zen. Für ein Kli­ma­schutz­se­mi­nar der HSS rei­sen eini­ge jun­ge Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler aus Syri­en an. Noch wäh­rend sie in Jor­da­ni­en an dem Semi­nar teil­neh­men, wird in Syri­en völ­lig uner­war­tet die seit 54 Jah­ren bestehen­de, bru­ta­le Dik­ta­tur gestürzt. Die Assad-Fami­lie, die so vie­le Men­schen ver­schlep­pen, fol­tern und töten ließ, die das eige­ne Volk an der Armuts­gren­ze lei­den ließ, selbst Paläs­te bewohn­te und gan­ze Fuhr­parks an Luxus­au­tos betrieb, ist Geschich­te. Die Teil­neh­men­den, die die Unter­drü­ckung durch das Régime in den letz­ten Jah­ren aus­ge­hal­ten haben, ver­fol­gen die Neu­ig­kei­ten aus einem Semi­nar­zen­trum im Osten Jor­da­ni­ens mit Freu­de – aber auch Angst. Nie­mand weiß, wie es jetzt mit dem vor­erst befrei­ten Syri­en wei­ter­geht. Sie gehö­ren reli­giö­sen Min­der­hei­ten an. Die Rebel­len, die Damas­kus nun ein­neh­men und für Recht und Ord­nung sor­gen wol­len, haben die­se Min­der­hei­ten in der Ver­gan­gen­heit verfolgt.

Im Zen­trum eines Vulkans

Ich war nur zwei Mona­te in Jor­da­ni­en und konn­te am eige­nen Leib erle­ben, wie Jor­da­ni­en den Wogen der regio­na­len Kon­flik­te aus­ge­setzt ist. In mei­ner Zeit im König­reich habe ich mit erschöpf­ten Paläs­ti­nen­sern gespro­chen, mich mit mei­nen Kol­le­gen um Lebens­mit­tel für Ver­trie­be­ne im Liba­non bemüht und Umbrü­che in Syri­en ver­folgt. Ich habe Syri­en, Liba­non, Paläs­ti­na und Isra­el am Hori­zont gese­hen. Es sind Rake­ten und Kampf­flug­zeu­ge über mei­nen Kopf geflo­gen, mal von Ost nach West, mal von West nach Ost. Ich habe von Hilfs­lie­fe­run­gen, Gip­fel­tref­fen und Frie­dens­ver­trä­gen gele­sen, habe auf­ge­at­met und konn­te den­noch nachts nicht schla­fen. Jetzt bin ich wie­der zuhau­se in Deutsch­land, weit weg und doch in Gedan­ken immer noch dort. Die Regi­on steu­ert wei­ter­hin unauf­hör­lich auf eine unge­wis­se, doch mit Sicher­heit beweg­te Zukunft zu. Der Taxi­fah­rer, der mich zum Flug­ha­fen fuhr, als ich das Land nach fast drei Mona­ten ver­ließ, sag­te „We are in the midd­le of a vol­ca­no that is always about to erupt.“


[1] https://missilethreat.csis.org/missile/emad/

[2] Bun­des­haus­halt: Bun­des­haus­halts­plan 2024, Ein­zel­plan 23, Bun­des­mi­nis­te­ri­um für wirt­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit und Ent­wick­lung. Auf: Bundeshaushalt.de (URL: https://www.bundeshaushalt.de/static/daten/2024/soll/epl23.pdf)