Neuere und Neueste Geschichte: Maximilian Berchtenbreiter
Edmund Stoibers Medienbiograph
Max ist Doktorand in Neuerer und Neuester Geschichte an der Technischen Universität Darmstadt und der LMU München. In unserem Interview erzählt er, wie er seinem Doktorvater von München nach Darmstadt ‘nachgereist’ ist, von seinem persönlichen Gespräch mit Edmund Stoiber und wie sich durch die Hanns-Seidel-Stiftung für ihn ganz neue Karrieremöglichkeiten aufgetan haben…
Stell dir vor, wir träfen uns auf Kloster Banz beim Mittagessen im Rahmen eines Seminars. Was würdest du über dich erzählen?
Ich würde vermutlich Werbung für Seminare der Stiftung machen oder vom Vorabend im Bierstübla erzählen. 😊
So wenig über dich? Nun, dann frage ich anders. Was ist dein akademischer Werdegang?
Ich habe 2016 einen Bachelor in Geschichte und Politikwissenschaft an der LMU München abgeschlossen und dann zunächst den Master Geschichte begonnen, ehe ich auch noch den Master in Politikwissenschaft angefangen habe. Als sich Ende 2019 abzeichnete, dass ich nach dem Master in Geschichte promovieren werde, bot es sich dann an, mich ganz darauf zu fokussieren.
Wann stand für dich fest, dass du promovieren möchtest? Wie fiel die Entscheidung für deinen Doktorvater oder den Standort?
Bereits im Zuge der Masterarbeit in Geschichte („Zum Einfluss von medialen und zivilgesellschaftlichen Akteuren auf den Bundestagswahlkampf 1980“) war mir aufgefallen, dass der Politiker Edmund Stoiber wissenschaftlich noch wenig bis gar nicht erforscht ist. Mein Betreuer Prof. Dr. Nicolai Hannig, damals noch am Lehrstuhl für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte an der LMU München tätig, ermunterte mich dann, ein Exposé bzw. erstes Forschungsdesign zu einer möglichen Dissertation zu verfassen. So kam quasi eins zum anderen. In der Geschichtswissenschaft ist im Rahmen von Dissertationen zudem eine Vorrecherche zu verfügbaren Quellenbeständen in Archiven unerlässlich. Als dann im Frühjahr 2020 feststand, dass die HSS mich und somit das Projekt fördern würde, nahm ich die eigentliche Arbeit im Sommer bzw. Herbst 2020 auf – mitten in den ersten Corona-Winter hinein. Außerdem erhielt mein Betreuer dann einen Ruf an die TU Darmstadt, der meinen persönlichen wissenschaftlichen Alltag allerdings kaum verändert hat. In den Corona-Jahren fand ich digital Anschluss ans Oberseminar in Darmstadt und habe mein Thema dort mittlerweile auch live präsentieren können.
Wie sieht dein Zeitplan aus?
Meine Förderung wird im Sommer 2024 auslaufen – dann möchte ich auch fertig sein bzw. zumindest den schriftlichen Teil abgegeben haben.
Du fertigst im Rahmen deiner Dissertation eine Medienbiographie des Politikers Edmund Stoiber an. Wie lautet der genaue Titel und was kann ich mir darunter vorstellen? Was beinhaltet dein Promotionsvorhaben?
Der Arbeitstitel, dem ich – Stand jetzt – treu bleiben werde, lautet: „Wahlkampf und Imagepolitik. Eine Medienbiographie Edmund Stoibers 1978–2002.“
Dieser Titel gefällt mir nach wie vor, weil er viele der unterschiedlichen Facetten meiner Dissertation unterbringt; ich baue mein Projekt nämlich auf vier größeren inhaltlichen Säulen auf: Wahlkämpfe, der Wandel des Mediensystems, Politikberatung bzw. Wahlkampfmanagement und der Kampf um die Deutungshoheit über politische Begriffe. Den Untersuchungszeitraum habe ich so definiert, um die Dissertation mit zwei Bundestagswahlkämpfen (1979÷80 und 2002) zu begrenzen. 1978 wurde Stoiber CSU-Generalsekretär und leitete dann den Wahlkampf von Franz Josef Strauß, 2002 war er dann selbst Kanzlerkandidat der Union – und scheiterte knapp.
Wie berichtest du auf Partys und Familientreffen, also für Laien heruntergebrochen, von deinem Projekt?
Es geht um Stoiber und Medien. Es ist keine klassische Biographie, enthält aber natürlich einige Elemente davon. Ich möchte in historischer Perspektive zeigen, wie Stoiber selbst Medienpolitik aktiv mitgestaltet und dieses Politikfeld als Mittel zum eigenen Aufstieg genutzt hat.
Wie bist du auf dein Dissertationsthema gekommen?
Letztlich war es, für das Fach Geschichte nicht ganz untypisch, eine „Marktlücke“, die ich im Rahmen der Masterarbeit entdeckt habe: es gibt schlicht und ergreifend noch fast gar keine geschichtswissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit Stoiber befassen, obwohl dieser seine politische Karriere in den 1970ern begonnen hat.
Was fasziniert dich besonders an deiner Forschung?
Man erlebt ein Stück bayerische bzw. deutsche Geschichte mit, gerade in den Quellen und Akten. Dort findet man auch immer wieder „Schätze“, die neue Perspektiven erschließen. Als Historiker muss man die Archivarbeit mögen. Außerdem sind die Zeitzeugengespräche spannend. Ja, ich habe auch mit Stoiber selbst sprechen können – 2021. Das Interview war natürlich ein Highlight der gesamten Promotion. Inhaltlich muss ich aber festhalten, dass ich nicht allzu viel Neues daraus ziehen konnte. Bei vielen Fragen hat es eine Weile gedauert, ehe der ehemalige Ministerpräsident „auf den Punkt“ gekommen ist – ja, genau, wie man es sich vorstellt. Es war aber gerade mit Blick auf wissenschaftliche Kriterien bzw. Quellenkritik natürlich enorm wichtig, dass das Gespräch stattgefunden hat.
Wie hat sich dein Thema seit der Festlegung entwickelt, zu welchen Teilen stimmt es noch mit deiner Ausgangsidee überein, was hat sich verändert?
Es stimmt noch größtenteils mit der Ausgangsidee überein. Ich würde sagen, dass die Tätigkeit Stoibers in medienpolitischen Gremien (Bayerischer Rundfunkrat u.a.) mittlerweile eine prominentere Rolle in der Arbeit einnimmt als vorher angenommen. Die entsprechenden Quellenbestände sind sowohl sehr passend als auch ergiebig, außerdem in der Forschungsliteratur noch nahezu unbekannt.
Woran arbeitest du im Moment?
Aktuell bin ich noch an der Auswertung der Quellenbestände im Bayerischen Hauptstaatsarchiv tätig und mit der Arbeit an einigen Kapiteln beschäftigt. Im Frühjahr möchte ich noch einige Zeitzeugengespräche führen und die Arbeit im Frühsommer fertigstellen.
Welche Hürden und Schwierigkeiten gibt oder gab es für dich im Forschungs- oder Schreibprozess?
Die Auswahl des Quellenmaterials bzw. die einschlägigen Beschränkungen wie Sperrfristen. In der Zeitgeschichte ist das denkbare Material grundsätzlich endlos. Man muss sich daher genau für bestimmte Quellenbestände entscheiden, die dann hoffentlich keiner archivarischen Sperrfrist (üblicherweise 30, mitunter bis zu 40 Jahren) unterliegen.
Was motiviert dich, bei „Durststrecken“ bei der Stange zu bleiben und weiterzumachen?
Meine Familie! Ein weiteres Highlight bzw. eine willkommene Abwechslung sind sämtliche Veranstaltungen der Promotionsförderung von Dr. Andreas Burtscheidt – eine unglaubliche Bereicherung! Weiterhin die durchaus realistische Möglichkeit, die Dissertation als Buch zu veröffentlichen, das weit über die Fachkreise hinaus gelesen wird – sofern sich ein passender Verlag findet.
Was tust du als Ausgleich zum wissenschaftlichen Schreiben und Arbeiten?
Mit meinen beiden Kindern (3 Jahre und ein halbes Jahr alt) spielen. Vor allem der Große ist sehr aktiv (und nebenbei begeistert von Kloster Banz!)
Wenn es sich zeitlich ergibt, spiele ich nach wie vor mal eine Partie Schach oder halte ein Seminar für den bayerischen Jugendverband. Mittlerweile spiele ich aber „nur“ mehr bei meinem österreichischen Verein ‚Schach ohne Grenzen‘, dort allerdings gegen harte Konkurrenz in der 1. Bundesliga. Leider finde ich aktuell wenig Zeit, um die noch ausstehenden Bedingungen zum Erhalt des Großmeistertitels, dem höchsten Titel im Schach, zu erfüllen. Seit 2013 habe ich bereits den Titel Internationaler Meister und eine Elo-Zahl von fast 2500.
Hast du schon Ideen oder Pläne, wie es nach Abschluss der Promotion für dich weitergehen soll?
Hier muss ich besonders schmunzeln, diese Frage höre ich öfter. Ursprünglich hatte ich lange vor, nach der Promotion etwas im Bereich Wahlkämpfe bzw. Politikberatung allgemein oder im politischen Umfeld zu machen. Das steht nach wie vor, gerade dann, wenn sich in diesem Bereich im bzw. zum Sommer 2024 etwas Passendes ergeben sollte. Eine andere Option ist es, in der Wissenschaft weiterzumachen.
Ein weiteres Feld habe ich erst im Rahmen der ideellen Promotionsförderung für mich entdeckt. Ich konnte in den letzten beiden Jahren auf einigen Veranstaltungen der HSS als Referent dabei sein. Beispielsweise war ich zweimal bei der Aufbauakademie Europa des Referats für internationale Studierende von Dr. Said AlDailami, bei der ich jeweils ein Seminar zur Geschichte der Europäischen Union geleitet habe. Oder auch bei dem relativ neuen Seminar „Sport für alle“ im Rahmen der Sommerwoche. Gerade diese Veranstaltung kann ich wärmstens empfehlen – die Mischung aus Seminaren am Vormittag und aktiv Sport treiben am Nachmittag ist sensationell (auch wenn ich als Referent natürlich voreingenommen bin). Dort habe ich im vergangenen Sommer zum zweiten Mal den inhaltlichen Slot „Sport und Politik“ gestaltet und geleitet.
Seminare zu konzipieren, gestalten und umzusetzen bereitet mir große Freude, ebenso die Arbeit mit jungen Erwachsenen. Und: das Feedback bisher war auch gut.
Es ist wunderbar, dass du der Stiftung auch weiterhin treu bleiben möchtest!