Fachforum Medizin 2023
Zu Risiken und Nebenwirkungen … fragen Sie Ihren plastischen Chirurgen
„All about Aesthetics – Schönheit mit Risiken und Nebenwirkungen?“ war der Titel des Fachforums Medizin im Juni 2023 in Kloster Banz. Denn die Nachfrage nach ästhetisch motivierten Eingriffen steigt. Die Tagung beleuchtete diesen Trend und stellte medizinischen Indikationen sowie Implikationen zur Diskussion.
Die Behandlungsstatistik des Verbands der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC), vorgestellt auf der Jahrespressekonferenz 2022 in Berlin, unterstreicht die Trends der vergangenen Jahre. „Die VDÄPC verzeichnet einen Anstieg aller ästhetischen Behandlungen von rund 15 Prozent“, so Dr. med. Steffen Handstein, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie und VDÄPC-Präsident, über die Ergebnisse der größten deutschen Ärztebefragung auf diesem Gebiet für das zweite Corona-Jahr. Mit Zahlen untermauert dies auch das Magazin „Arzt & Wirtschaft“. Demnach war der globale Markt für ästhetische Dienstleistungen bereits rund 18,1 Milliarden US-Dollar schwer. Bis zum Jahr 2026 prognostizieren die Marktanalysten ein Wachstum bis auf 23,3 Milliarden US-Dollar, bei einer jährlichen Wachstumsrate von 6,2 Prozent.
Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit ist die Ästhetische Medizin seit Jahren ein Wachstumsmarkt. „Sogar während der Finanzkrise 2008/2009 lag das europaweite Wachstum dank dem sogenannten „Lipstick-Effekt“ noch bei satten sieben Prozent. Dieser Effekt, so amerikanische Forscher, führt bei Konsumenten in wirtschaftlich schwierigen Phasen zu einem deutlich vermehrten Konsum in den Bereichen Kosmetik (daher der Name des Phänomens) und Alkohol. Ersteres lässt sich vermutlich mit der Angst vor Arbeitsplatzverlust und sozialem Abstieg erklären. Ein gepflegtes Äußeres spräche dagegen für sozialen Wohlstand und geregelte Verhältnisse und so soll die Realität wohl dem ersten Eindruck folgen.“ So formuliert es ein Artikel des MDM-Fachverlages für medizinische Publikationen.
Renommierte Experten aus den Bereichen der plastischen Chirurgie, Dozenten aus der medienpsychologischen Beratung wie auch aus der Kunstphilosophie, vermittelten an zweieinhalb Tagen ein umfassendes Bild der Einflussfaktoren und Auswirkungen aktueller wie auch zukünftiger Trends der Medizin. Auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse aus den unterschiedlichen Disziplinen wurden von Experten und den Stipendiaten als zukünftige Ärzte, Naturwissenschaftler, Psychologen zukünftige Handlungsleitlinien diskutiert.
Dr. med. Dominik Prommy (Universitätsklinikum Erlangen-Nürnberg) berichtete von seiner Arbeit in der rekonstruktiven Chirurgie sowie von aktuellen Trends plastischer Eingriffe ästhetischer Natur. Er illustrierte Risiken insbesondere von den für die Patientensicherheit defizitären versicherungsrechtlichen Aspekten im Ausland durchgeführter Operationen anhand drastischer Fallbeispiele. Anlass zur Debatte bot auch die Verantwortung von ästhetisch tätigen Chirurgen (sowie Medizinern weiterer Fachrichtungen) im Hinblick auf psychologische Motivationen der Patienten und Behandlungsentscheidungen.
Dr. med. Joachim von Finckenstein, Facharzt für Chirurgie und plastische Chirurgie, referierte über Behandlungsphilosophien, ästhetische Konzepte und deren Umsetzung. Der international renommierte Arzt thematisierte die Wahrnehmung von Schönheit und deren universellen Einflüssen auf Designprozesse in der technischen Produktentwicklung, der Kunst und der Architektur sowie die Symbiosen seiner Arbeit in der Ästhetischen Chirurgie.
Auch medienpsychologische Einflussfaktoren auf die Zunahme der ästhetisch motivierten Behandlungen in Deutschland wurden durch den Medienpsychologen und Suchtberater Niels Pruin behandelt, welcher über Erkenntnisse aus der Therapie medienabhängiger Klienten dozierte. Er beleuchtete auch die Auswirkungen medialer Einflüsse in unserer Identitätsbildung, die zu zentralen Behandlungswünschen zählten.
Abschließend besprach Kunstphilosophin Dr. Jasmin Trächtler ästhetische Werte und eine objektivitische Betrachtung der Ideale von Schönheit, welche die Wahrnehmung von Ästhetik vor allem individuell und gesellschaftlich prägen.
Fazit des Fachforums: Der Grundsatz der individuellen Freiheit eines jeden Patienten und dem Zwiespalt des Arztes zwischen Entscheidungsträger in der medizinischen Behandlung und seiner Rolle als Dienstleister lassen viele Fragestellungen ergebnisoffen.