Dr. Rudolf Pfeifenrath in den (Un-)Ruhestand verabschiedet
Cui bono?
Ende September war es soweit: Nach 35 Berufsjahren in der Hanns-Seidel-Stiftung wurde Dr. Rudolf Pfeifenrath, Referatsleiter im Institut für Begabtenförderung (IBF), in den Ruhestand verabschiedet. Er gehört noch zur „alten Garde“, die vor Jahrzehnten den Bereichen der Studienförderung der HSS mit aufgebaut und natürlich geprägt hat, inzwischen aber komplett die Leitung der sieben Referate des IBF in junge Hände gelegt hat.
Der Weg ins Förderungswerk
Lehramt Deutsch und Geschichte studierte der junge Student aus Pähl, einem Ort südlich vom Ammersee, Anfang der 1980er Jahre an der LMU in München. Nach dem ersten Staatsexamen (1985) absolvierte er das Referendariat in Weilheim, war nach dem zweiten Staatsexamen Ende 1987 für vier Monate Lehrer an einer Privatschule. Zur Hanns-Seidel-Stiftung kam Rudolf Pfeifenrath Anfang 1988.
Zunächst war er Sachbearbeiter im Institut für Internationale Begegnung und Zusammenarbeit (IBZ, heute Institut für Internationale Zusammenarbeit), der Entwicklungshilfe-Abteilung der Stiftung. Nach Michael Czepalla und Gabriele Ehrlich wechselte er im Herbst 1990 vom IBZ in das damals noch recht junge „Förderungswerk“, in dem Stipendiaten aus Deutschland und aller Welt bei ihrem Studium gefördert wurden.
Dort leitete er das Referat für Promotions- und Fachhochschulförderung. Anfangs hatte er insgesamt etwa 140 Stipendiatinnen und Stipendiaten zu betreuen. Nebenher promovierte Pfeifenrath an der Katholischen Uni Eichstätt im Bereich der Erwachsenenpädagogik.
Wachstum und Entwicklung des Stipendienprogramms
Die Studienförderung wurde vor allem nach der Jahrtausendwende ausgeweitet, auch mit deutlich mehr Mitteln aus dem Bundeshaushalt ausgestattet. Der Fachhochschul-Bereich war schon ein Aushängeschild der HSS, er wurde damit noch ausgebaut. „Wir waren den meisten anderen Stiftungen weit voraus. Das hatte sich ausgezahlt. Wir konnte gerade den Technik-Anteil der Stipendiaten ausbauen“, so Pfeifenrath.
Viele Studierende dort hatten den zweiten Bildungsweg absolviert, waren (und sind) sehr motiviert. „Da geht es oft um internationale, exportorientierte Berufsfelder. Da wird das Wünschenswerte mit dem Machbaren verbunden“, beschreibt Pfeifenrath. Bis 2017 – zwischenzeitlich wurde das Förderungswerk in „Institut für Begabtenförderung“ umbenannt – wuchs der Bereich auf 550 Stipendiaten an und das Referat wurde geteilt. Seit 2018 betreut Dr. Andreas Burtscheidt nun die Promovenden, Pfeifenrath fokussierte sich auf die HAW-Absolventen, die Studierenden der Hochschulen für angewandte Wissenschaften.
Seminarprogramm als Herzstück der Förderung
Kern der Betreuung von Stipendiaten ist seit jeher neben dem persönlichen Kontakt das Seminarprogramm, an dem man zweimal jährlich teilnehmen sollte. Doch nur organisieren und dann jemand anderen zur Leitung des Seminars in die Bildungszentren schicken, das war nicht Pfeifenraths Sache. Er wollte selber lernen, sich inspirieren lassen, die Themen weiter entwickeln. Nach dem Seminar war oft vor dem Seminar. Wen verpflichtet man für nächstes Jahr wieder, welche Aspekte könnte man noch vertiefen?
Seminar-Engagement vor Sonnenstrand
Die Wochenendseminare in Kloster Banz oder Wildbad Kreuth (bis 2015), danach auch in Holzhausen am Ammersee, machten sich ziemlich breit in Pfeifenraths Jahreskalender. Einmal waren es 26 Wochenendseminare in einem Jahr! Für das Privatleben blieb da nicht viel Raum. Der Urlaub mit der Familie richtete sich nach dem Seminarplan. „Urlaub war sekundär.“ Einen Ort an der italienischen Adria hatten die Pfeifenraths ins Herzen geschlossen. Immer am gleichen Ort, da war der Urlaub auch Urlaub und kein Abenteuer. Einmal aber doch. Denn auf dem Heimweg ging die Lichtmaschine des Autos kaputt. Mit einer neuen, vollen Batterie wurde der Heimweg angetreten. Bis über die Grenze nach Bayern schaffte es die Batterie ohne Nachladen, dann war auch da Schluss, das Auto blieb stehen.
Doch Rudolf Pfeifenrath war ja schon in der Heimat. Bis nach Hause, um dort den Koffer zu wechseln und am gleichen Morgen rechtzeitig am Münchner Hauptbahnhof zu stehen, wo der Bus für das HSS-Seminar nach Montpellier abfahren sollte. „Das war sportlich“, blickt Rudolf Pfeifenrath zurück und grinst.
Unvergessliche Erlebnisse an besonderen Orten
Studienreise nach Montpellier
Montpellier, die Metropole in Südfrankreich, war über viele Jahre das Ziel einer Studienreise in Kooperation mit der Hochschule für Politik und dem Sprachenzentrum der Uni Heidelberg. Die Stadt selbst wurde nur an einem Tag besucht, die Unterkunft in Nébian, einem verschlafenen Nest im Languedoc, bildet das bildungstechnische wie kulinarische Zentrum. Unter den alten Ulmen eines zur Jugendherberge umgebauten Weinguts wurde Vorträgen über Historie und Zukunft Europas in deutsch und französisch gelauscht. Lernen, wo andere Urlaub machen, war nie das Motto – aber faktisch der rote Faden. Mit diesem Seminar verbindet auch Pfeifenrath viele Erinnerungen. Einmal sagte ihm eine (inzwischen leider verstorbene) Altstipendiatin, dass diese Fahrt das schönste Seminar in ihrer HSS-Zeit gewesen sei.
Rettungsaktion auf dem Mont Liausson
Oder die Rettungsaktion, die bei einer Wanderung im zerklüfteten Bergmassiv des Mont Liausson von den Stipendiaten durchgeführt werden musste. Nach einem gut einstündigen Aufstieg knickte ein Teilnehmer auf dem Gipfel um. Sein Fußgelenk schwoll sehenswert schnell an – Verdacht auf Bänderriss! Im gerade erst beginnenden Handy-Zeitalter war die Gruppe auf sich alleine gestellt. Bandagieren, Stiefel tauschen, Sichern – der Stipendiat mit respektabler Größe musste von seinen Kameraden zu Tal gebracht werden. In einer Gemeinschaftsleistung wurde die Aufgabe gemeistert – ein für alle Beteiligten unvergessliches Erlebnis, wie sich auch Pfeifenrath erinnert.
Interaktive Seminare als Erfolgskriterium
Über Jahrzehnte bildeten Studienfahrten zu Hotspots der Weltpolitik die Höhepunkte der Seminare in Pfeifenraths Referat. Brüssel und Berlin sowieso, aber auch Genf, Wien oder Budapest wurden angesteuert. Es galt, supranationale Organisationen kennen zu lernen. „In Gesprächen mit dem Flüchtlingskommissar, mit der internationalen Währungskommission, im Nato-Hauptquartier oder im Opec-Sitzungssaal werden Politik und Gestalten transparent, da bekommt das Ganze ein bisserl Fleisch“, sagt Pfeifenrath. Seminare, die nur aus Frontalvorträgen bestanden, liebte er wenig. Daher standen auch oft Rollenspiele auf dem Programm. POLIS oder Euro-Net und nicht zielet RegioNet etwa, in denen die Teilnehmer verschiedene Rollen einnehmen und das ganze Wochenende ausfüllen müssen. Da wird viel recherchiert, strategische Entscheidungen müssen getroffen werden – und auf unvorhergesehene Ereignisse ist zu reagieren.
Cui bono – Die Stipendiaten immer im Fokus
Später wurde der politische Einfluss auf die Seminarinhalte stärker – was Pfeifenrath nicht gerade begeisterte. „Was nutzt es den Stipendiaten, cui bono? Erweitert es den Horizont?“ Die Interdisziplinarität litt in Pfeifenraths Augen unter der neuen Ausrichtung. Auch in seiner Kreativität sah er sich eingeschränkt. Also war zu überlegen, wie bewährte Themen neu verpackt werden konnten. „Es muss immer interessant sein“, war ihm wichtig, dass ein Seminar per se genügend Nachfrage erzeugt. Auch Defizite im Teilnehmerkreis galt es immer wieder einmal abzubauen. Schreiben und Reden kann praktisch immer verbessert werden. So kam auch einmal die „Schreibwerkstatt“ ins Seminarprogramm.
Die Pandemie als Treiber der Digitalisierung
Mit Corona änderte sich alles auf einmal erneut. Gerade das IBF hatte 2020 schnell auf Arbeit im Home-Office und Seminare im Video-Formate umgestellt. Das kam, obwohl Pfeifenrath anfangs skeptisch war, gut an. Auch heute noch gibt es zumindest teilweise beides. Online-Seminare ermöglichen aber auch Stipendiaten, die sonst eine weite Anreise hätten, eine einfache Teilnahme.
Neue Wege nach dem Abschied: Engagement, Lehrauftrag und persönliche Pläne
Präsenz wird künftig bei Rudolf Pfeifenrath eine deutlich größere Rolle spielen. Seinen Lehrauftrag an der Hochschule München zum Thema Film wird er vorerst noch beibehalten. Auch in der HSS kann er sich vorstellen, den einen oder anderen Vortrag zu halten. Das Wissen aus der Stiftung wird er für eine neue soziale Stiftung, die ein Familienmitglied einrichten möchte, zur Verfügung stellen. Auch die Aufgabe als Schöffe am Sozialgericht reizt ihn, denn Gerechtigkeit ist für ihn ein hohes Gut. Und natürlich wird es im Sommer 2024 einmal richtig in den Urlaub gehen. Namibia steht auf seiner Wunschliste. Und dann ist da noch das Häuschen an einem italienischen See, das es zu renovieren gilt. Ob dem Vater dreier erwachsener Töchter (und Großvater) da dann wirklich noch Zeit für all die anderen Themen bleibt?
Nachfolgerin:
Veronika Bauer
Im Oktober 2023 hat Veronika das Amt von Dr. Rudolf Pfeifenrath übernommen und ist damit die neue Leitung der Hochschulförderung (HAW).
In ihrer neuen Position möchte sie mehr Verantwortung für die zielgerichtete Förderung der Stipendiatinnen und Stipendiaten übernehmen, indem sie neue Programme in die ideelle Förderung integriert. Das Angebot soll die Zielgruppe sowohl fördern als auch fordern. Besonders wichtig ist ihr dabei der fortlaufende Dialog und eine offene Kommunikation innerhalb der Stiftung.