Studienfachtagung
Europa findet zusammen
„Das politische System der EU“ war der Titel einer Studienfachtagung für internationale Studierende der HSS Anfang Mai 2023 in Brüssel. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen aus Heimatländern außerhalb der Europäischen Union, etwa der Türkei, der Ukraine, Russland, Georgien, Syrien, China und auch aus Südamerika.
Ziel war es daher, einen Einblick in das politische System der EU zu gewinnen, Entscheidungsprozesse und das Zusammenwirken verschiedener Akteure zu verstehen, und über die aktuellen Schwerpunkte, Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze der Europapolitik zu diskutieren.
Experten von EU-Institutionen, nationalen und regionalen Vertretungen sowie Wissenschaftler, Journalisten und nicht zuletzt Altstipendiaten stellten das einzigartige politische System des Staatenverbund zur gemeinsamen politischen Gestaltung Europas vor. 27 Mitgliedstaaten haben in bestimmten Politikbereichen Kompetenzen an die EU übertragen und handeln dort somit ausschließlich gemeinschaftlich. Das institutionelle Dreieck aus Europäischem Parlament, EU-Ministerrat und Europäischer Kommission trifft verbindliche Entscheidungen für alle Mitgliedstaaten. Die Politikfelder reichen von Wirtschafts- und Währungspolitik über Umwelt‑, Agrar- und Sozialpolitik bis hin zur Außen- und Sicherheitspolitik.
Markus Ferber, Mitglied des Europäischen Parlaments und auch Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung, sprach über die europäische Wirtschaftspolitik in Zeiten der multiplen Krisen, wie Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Folgen des Klimawandels sowie eine schwierige globale Wirtschaftslage. Doch Ferber zeigte sich positiv: „Zum demokratischen System gehört, verschiedene Auffassungen zu haben. Das Schöne an Europa ist, dass man am Ende schafft, sich zusammenzufinden.“
Die Aufgaben des Europabüros der HSS stellte dessen Leiter Dr. Thomas Leeb vor. Dazu zählen Netzwerkbildung, Durchführung internationaler Konferenzen, Unterstützung der HSS-Auslandsbüros und politische Informationsarbeit für gesellschaftspolitische Entscheidungsträger. Abgerundet wurde die deutsche Perspektive durch Besuche in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland und die Vertretung des Freistaats Bayern bei der Europäischen Union.
Insgesamt bot die Studienfachtagung die Gelegenheit, das System der EU und damit die Rolle der Demokratie besser zu verstehen. Denn wie Dr. Christian Gsodam, Kabinettschef des Generalsekretärs des Ausschusses der Regionen, sagte: „Demokratie muss überall passieren, nicht nur in Brüssel.“
Eine Menge Eindrücke gab es in der Tagung in Brüssel zu verarbeiten. Tsira Kvatchantiradze, Autorin dieses Beitrags, fasst sie aus persönlicher Sicht zusammen: „Als ich in Georgien lebte, waren Brüssel und die Europäische Union für mich eine Welt, die ich nur aus dem Fernsehen kannte. Vor fünf Jahren hätte ich mir nie vorstellen können, dass ich diesen Ort, an dem europäische Politik geschrieben wird, einmal sehen werde. Unsere Reise nach Brüssel hat meine Motivation gesteigert, und ich habe mir vorgenommen, hart zu arbeiten, um die Möglichkeit zu erhalten, im Europäischen Parlament in Brüssel zu arbeiten.“
Auch von einem anderen Kontinent aus gesehen brachte die Tagung neue Erkenntnisse. So etwa bei Daniel aus Peru: „In Brüssel habe ich festgestellt, dass Politiker, die die Interessen einer Gemeinschaft in der Europäischen Union vertreten, sei es ein Unternehmen oder ein Land, sehr darauf achten, nicht politisch unkorrekt zu sein, denn ihre Stimme gehört nicht ihnen allein. Andererseits zögern Journalisten und Berater nicht, Kritik zu üben, die manchmal ein wenig übertrieben ist. Deshalb hat man als Bürger, der von Medien informiert wird, letztlich den Eindruck, dass die Politiker nichts wissen und die Kritiker immer Recht haben. Während unserer Exkursion habe ich gemerkt, dass dies nicht ganz stimmt.“
Fotos: Tsira Kvatchantiradze und Yustyna Koval