Studienfachtagung

Europa findet zusammen

Veröffentlicht am 7. Juni 2023 von Tsira Kvatchantiradze

„Das poli­ti­sche Sys­tem der EU“ war der Titel einer Stu­di­en­fach­ta­gung für inter­na­tio­na­le Stu­die­ren­de der HSS Anfang Mai 2023 in Brüs­sel. Vie­le Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer kamen aus Hei­mat­län­dern außer­halb der Euro­päi­schen Uni­on, etwa der Tür­kei, der Ukrai­ne, Russ­land, Geor­gi­en, Syri­en, Chi­na und auch aus Südamerika.

Ziel war es daher, einen Ein­blick in das poli­ti­sche Sys­tem der EU zu gewin­nen, Ent­schei­dungs­pro­zes­se und das Zusam­men­wir­ken ver­schie­de­ner Akteu­re zu ver­ste­hen, und über die aktu­el­len Schwer­punk­te, Her­aus­for­de­run­gen und mög­li­che Lösungs­an­sät­ze der Euro­pa­po­li­tik zu diskutieren.

Exper­ten von EU-Insti­tu­tio­nen, natio­na­len und regio­na­len Ver­tre­tun­gen sowie Wis­sen­schaft­ler, Jour­na­lis­ten  und nicht zuletzt Alt­sti­pen­dia­ten stell­ten das ein­zig­ar­ti­ge poli­ti­sche Sys­tem des Staa­ten­ver­bund zur gemein­sa­men poli­ti­schen Gestal­tung Euro­pas vor. 27 Mit­glied­staa­ten haben in bestimm­ten Poli­tik­be­rei­chen Kom­pe­ten­zen an die EU über­tra­gen und han­deln dort somit aus­schließ­lich gemein­schaft­lich. Das insti­tu­tio­nel­le Drei­eck aus Euro­päi­schem Par­la­ment, EU-Minis­ter­rat und Euro­päi­scher Kom­mis­si­on trifft ver­bind­li­che Ent­schei­dun­gen für alle Mit­glied­staa­ten. Die Poli­tik­fel­der rei­chen von Wirt­schafts- und Wäh­rungs­po­li­tik über Umwelt‑, Agrar- und Sozi­al­po­li­tik bis hin zur Außen- und Sicherheitspolitik.

Mar­kus Fer­ber, Mit­glied des Euro­päi­schen Par­la­ments und auch Vor­sit­zen­der der Hanns-Sei­del-Stif­tung, sprach über die euro­päi­sche Wirt­schafts­po­li­tik in Zei­ten der mul­ti­plen Kri­sen, wie Russ­lands Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne, die Fol­gen des Kli­ma­wan­dels sowie eine schwie­ri­ge glo­ba­le Wirt­schafts­la­ge. Doch Fer­ber zeig­te sich posi­tiv: „Zum demo­kra­ti­schen Sys­tem gehört, ver­schie­de­ne Auf­fas­sun­gen zu haben. Das Schö­ne an Euro­pa ist, dass man am Ende schafft, sich zusammenzufinden.“

Die Auf­ga­ben des Euro­pa­bü­ros der HSS stell­te des­sen Lei­ter Dr. Tho­mas Leeb vor. Dazu zäh­len Netz­werk­bil­dung, Durch­füh­rung inter­na­tio­na­ler Kon­fe­ren­zen, Unter­stüt­zung der HSS-Aus­lands­bü­ros und poli­ti­sche Infor­ma­ti­ons­ar­beit für gesell­schafts­po­li­ti­sche Ent­schei­dungs­trä­ger. Abge­run­det wur­de die deut­sche Per­spek­ti­ve durch Besu­che in der Stän­di­gen Ver­tre­tung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und die Ver­tre­tung des Frei­staats Bay­ern bei der Euro­päi­schen Union.

Ins­ge­samt bot die Stu­di­en­fach­ta­gung die Gele­gen­heit, das Sys­tem der EU und damit die Rol­le der Demo­kra­tie bes­ser zu ver­ste­hen. Denn wie Dr. Chris­ti­an Gsodam, Kabi­netts­chef des Gene­ral­se­kre­tärs des Aus­schus­ses der Regio­nen, sag­te: „Demo­kra­tie muss über­all pas­sie­ren, nicht nur in Brüssel.“

Eine Men­ge Ein­drü­cke gab es in der Tagung in Brüs­sel zu ver­ar­bei­ten. Tsi­ra Kvat­chan­ti­rad­ze, Autorin die­ses Bei­trags, fasst sie aus per­sön­li­cher Sicht zusam­men: „Als ich in Geor­gi­en leb­te, waren Brüs­sel und die Euro­päi­sche Uni­on für mich eine Welt, die ich nur aus dem Fern­se­hen kann­te. Vor fünf Jah­ren hät­te ich mir nie vor­stel­len kön­nen, dass ich die­sen Ort, an dem euro­päi­sche Poli­tik geschrie­ben wird, ein­mal sehen wer­de. Unse­re Rei­se nach Brüs­sel hat mei­ne Moti­va­ti­on gestei­gert, und ich habe mir vor­ge­nom­men, hart zu arbei­ten, um die Mög­lich­keit zu erhal­ten, im Euro­päi­schen Par­la­ment in Brüs­sel zu arbeiten.“

Auch von einem ande­ren Kon­ti­nent aus gese­hen brach­te die Tagung neue Erkennt­nis­se. So etwa bei Dani­el aus Peru: „In Brüs­sel habe ich fest­ge­stellt, dass Poli­ti­ker, die die Inter­es­sen einer Gemein­schaft in der Euro­päi­schen Uni­on ver­tre­ten, sei es ein Unter­neh­men oder ein Land, sehr dar­auf ach­ten, nicht poli­tisch unkor­rekt zu sein, denn ihre Stim­me gehört nicht ihnen allein. Ande­rer­seits zögern Jour­na­lis­ten und Bera­ter nicht, Kri­tik zu üben, die manch­mal ein wenig über­trie­ben ist. Des­halb hat man als Bür­ger, der von Medi­en infor­miert wird, letzt­lich den Ein­druck, dass die Poli­ti­ker nichts wis­sen und die Kri­ti­ker immer Recht haben. Wäh­rend unse­rer Exkur­si­on habe ich gemerkt, dass dies nicht ganz stimmt.“

Fotos: Tsi­ra Kvat­chan­ti­rad­ze und Yus­ty­na Koval